: Kontaminiert mit vielen Geschichten
Der Architekt Hans Kollhoff baut die einstige Nazi-Reichsbank und spätere SED-Machtzentrale zum Außenministerium um. Vom Inventar aus der DDR-Zeit bleibt zuwenig erhalten ■ Von Rolf Lautenschläger
Wenn politische Institutionen historisch kontaminierte Gebäude besetzen, waschen sie beim Umzug die Geschichte des Hauses oftmals mit ab. Die Spuren der Vergangenheit werden getilgt. Inneneinrichtungen werden herausgerissen, das Neue ersetzt das Alte. Am Ende dominieren die Chiffren eigener politischer Repräsentanz. Vom Reichstag war beim Umbau in den sechziger Jahren bis auf die Hülle nichts geblieben. Und auch die jetzige Modernisierung für den Bundestag durch Norman Foster läßt wieder die Abrißbirne tanzen. Kaum anders wird es dem Palast der Republik ergehen – wenn der ungeliebte sozialistische Asbestkasten überhaupt erhalten wird.
Mit der Entscheidung, das neue Außenministerium in die ehemalige Nazi-Reichsbank und spätere Machtzentrale der SED einzuquartieren, erhält die Frage über die Nutzung „belasteter“ Staatsarchitektur und deren denkmalgerechter Umgang wieder exemplarischen Charakter. Denn neben der Reichsbank werden auch das einstige Reichsluftfahrtamt (später Haus der Ministerien und dann Treuhandanstalt) sowie Goebbels Propagandaministerium politische Institutionen aufnehmen, die sich in demokratischem Ambiente präsentieren wollen.
Bis 1999 soll der rechteckige Reichsbank-Kasten (erbaut 1934 bis 1939) mit 62.500 Quadratmeter Nutzfläche für 545 Millionen Mark für den Sitz des Außenministers hergerichtet werden. An der Außenwand und zu den Innenhöfen werden die Fenster ersetzt, die Foyers und großen Treppenhäuser saniert und gestaltet. Einzelne Räume aus der Politbürozeit will Architekt Hans Kollhoff erhalten, Büros und Flure sollen verändert werden. „Bedeutet der Umbau der Reichsbank einen Akt der Enthistorisierung, oder behält der Denkmalschutz die Oberhand über die des Architekten? Und wie läßt sich in dem Gebäude demokratische Politik machen?“ fragte jüngst Hans Stimmann, Staatssekretär bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, bei der Vorstellung der Umbaumaßnahmen.
Folgt man den Plänen Kollhoffs, so hat dieser keinen faulen Kompromiß zwischen der Historie des Hauses und den Anforderungen eines großen Ministeriums gesucht, sondern Position bezogen zugunsten der vergrabenen und unbekannten Moderne des Hauses. Der Architekt, der sonst mit recht massiven Bauklötzen der Stadt zusetzt, erhält die alte Steinfassade, ebenso den Plenarsaal des Zentralkomitees der SED. Der große Kongreßsaal in der einstigen Kassenhalle sowie Foyers mit Einbauten der DDR-Moderne aus den sechziger Jahren werden rekonstruiert beziehungsweise belassen.
Das Hauptaugenmerk des Architekten gilt der einstigen Belichtung, die über Fenster und Oberlichter in das Haus und die Korridore geholt werden soll. Zugleich saniert er das Foyer und legt die einstmals schnittigen Profile der Kassenhallen wieder frei. Kollhoff: „Es kam uns darauf an, das Alte zu respektieren und eine neue Schicht in das Gebäude einziehen zu lassen. Es ging uns um mehr Licht und um die alte Modernität.“
Zu weit geht der Architekt allerdings in der Treppenhalle, die bis 1945 ein riesiges Adler-Relief verunstaltete, wo er die Nazi-Beleuchtung zitiert und das mittige Geländer an die Seite versetzt. Ebenso fragwürdig wie die Rekonstruktion der Nazi-Lampen sind auch die monochromen Farbflächen in den Fluren und an den Decken des Künstlers Gerhard Merz, verändern sie doch die Atmosphäre in Richtung Designer-Schick.
Kollhoffs Konzept bezieht sich auf die alten Pläne von Heinrich Wolff, der die siebenstöckige Reichsbank als ersten Großbau der Nationalsozialisten zwischen 1934 und 1939 errichtet hat. Im Unterschied zum wuchtigen Äußeren schuf Wolff innen eine moderne, fast amerikanische Kassenhalle mit Lichtbändern, Stahlprofilen, geschwungenen Leisten und großen glatten Flächen. Die „neue Schicht wird im wesentlichen durch das moderne Raumklima erzeugt – wie etwa bei Mies van der Rohe und der frühen DDR-Moderne“, so Kollhoff.
Das Konzept erweist sich aus Sicht der Denkmalbehörde aber nach wie vor als problematisch. Laut Landeskonservator hatte der Denkmalschutz „intensive Überzeugungsarbeit“ beim Bauherren leisten müssen, der weit weniger DDR-Nostalgie erhalten wollte. Vielleicht sei es für den deutschen Außenminister ja schwierig, in ein Gebäude zu ziehen, das selbst Heiner Müller als „Hochsicherheitstrakt des ZK“ bezeichnete, wie Frank Hesse von der Denkmalpflege betonte. Dennoch komme es darauf an, daß auch der neue Nutzer „die Geschichte des Hauses mitträgt, die Erinnerung und Aufklärung“ zugleich beinhalte.
Der Prozeß der Annäherung zwischen den Interessen des Ministeriums und dem Denkmalschutz gilt deshalb als noch nicht abgeschlossen. So sollten laut Hesse die Säle und Amtszimmer sowie mehr Mobiliar und Details aus der Zeit des Politbüros erhalten bleiben. „Die DDR-Zeit“ dürfe aus dem Gebäude „nicht herausgelöst“ werden, auch wenn die alte Einrichtung den Begehrlichkeiten eines zeitgenössischen Außenamtes kaum noch entspreche.
Aber kann man nicht auch auf Stühlen sitzen und an Tischen arbeiten, die den Mitgliedern des ZKs ausreichten? Kann man nicht auch in diesen Büros und Sälen Politik machen, ohne sich zu schämen? „Der Altbau ist kontaminiert“, stellte Florian Mausbach, Chef der Bundesbaudirektion, dazu lapidar fest. Aber wie genau, fragte er rhetorisch, um gleich die Antwort zu geben. Die Reichsbank sei von den Nazis genutzt worden und von der SED, aber auch von demokratisch verfaßten Institutionen, beschloß doch das letzte DDR-Parlament darin den Anschluß an die Bundesrepublik – und das auf alten sozialistischen Sitzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen