: Die Straße des Täters und des Opfers
■ In der Blenheimstraße in Marzahn wohnt Kai D., der in Roseburg einen Polizisten erschoß. 600 Meter weiter wurde Klaus Baltruschat am Mittwoch angeschossen. Die Polizei vermutet einen Zusammenhang
Blenheimstraße 27, Marzahn: Hier wohnt Kai D. Eine braune Platte, 18 Stockwerke, etwas abseits gelegen von den anderen vielen Platten dahinter. Davor: kleine Einfamilienhäuser und idyllische Gärten. „Eigentlich eine ruhige Gegend hier“, sagt eine Frau, „ruhiger als andere in Marzahn.“
Kai D., der am Sonntag auf dem Autobahnrastplatz Roseburg (Schleswig-Holstein) mit einer Pump-Gun einen Polizisten erschoß und einen schwer verletzte, wohnt im 4. Stock. Der 24jährige ist hausbekannt. „Ein durchgeknallter Typ, ein Einzelgänger, ständig im Alkoholrausch, ständig unter Drogen, Bomberjacke, kurze Haare. Er hat oft im Hausflur abgehangen, mit Bierbüchsen und mit seinem schwarzweißen Pitbull-Terrier. Manchmal hat er ,Heil Hitler!‘ und so Zeug gerufen“, sagt ein junger Mann aus dem Haus. Einer, der ihn „vom Biertrinken her kennt“, der damit „gerechnet hat, daß „der mal was anstellt“.
Blenheimstraße 27: 600 Meter weiter befindet sich das PDS-Haus Alt-Marzahn 64. Hier wurde am vergangenen Mittwoch der 63jährige Buchhändler Klaus Baltruschat aus Köpenick angeschossen.
Ob Kai D. etwas mit dem Attentat auf Klaus Baltruschat zu tun hat? „Es gibt Parallelen, wir können das nicht ausschließen“, sagt Günter Möller, Sprecher der Staatsanwaltschaft Lübeck, die die Ermittlungen führt. Was dafür spricht? „Es wurde mit gleicher Munition und mit einer gleichartigen Waffe geschossen.“ Wegen Mordes und mehrfachen Mordversuchs ist gestern gegen Kai D. Haftbefehl erlassen worden. Wegen Körperverletzung war der Marzahner vorbestraft.
Kai D. war Mitglied der „Nationalen Initiative“ (NA), ist heute, nach eigenen Angaben, Mitglied der NA-Nachfolgeorganisation „Weißer Arischer Widerstand“ (WAW) und Anhänger des Ku- Klux-Klans. Laut Berliner Verfassungsschutz ist der WAW eine der militantesten Gruppen der rechtsextremen Szene, zu der auch deutsche Neonazis Beziehungen haben und die vor allem in Berlin agiert. „In der Wohnung von Kai D. ist entsprechendes Material gefunden worden“, sagt Möller.
Im „Kleinen Buchladen“ haben Köpenicker Freunde von Baltruschats gestern eine Unterschriftenliste ausgelegt. „Unsere Wut gilt solch wildgewordenen Schützen“ steht darauf geschrieben. Hanna Wichmann, eine Bekannte, fragt: „Wer hilft der Frau des erschossenen Polizisten?“ Werde ihr auch so viel Solidarität entgegengebracht wie Baltruschats? Hunderte Briefe, viele von Unbekannten, hat die Köpenicker Familie erhalten; rund 1.200 Mark sind bisher für die Kuba-Hilfe gespendet worden. Klaus Baltruschat wollte keine Blumen, sondern daß für Kuba gespendet werde.
Haß auf den vermeintlichen Täter hat Käthe Baltruschat nicht. Noch nicht. „Ich habe zur Zeit keine Empfindungen, was den Täter angeht. Ich funktioniere einfach.“ Arbeiten will sie. „Es muß weitergehen.“ Die Parteiarbeit, der Buchladen, der Handball. Und vor allem das Training mit den Köpenicker Kindern und Jugendlichen. Seit 28 Jahren ist Klaus Baltruschat begeisterter Handballer. Am Sonntag steht für sein Team in der 1. Stadtliga das „Spiel des Jahres“ an. Die Jugendlichen werden T-Shirts tragen mit der Aufschrift „Keine Gewalt“. Jens Rübsam
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