: Milde Strafe für Quartiermacher der RAF
■ Stasi-Offiziere werden wegen der Einbürgerung von RAF-Mitgliedern verurteilt
Berlin (taz) – Richter Peter Faust bleibt seiner Auffassung treu. Als der Vorsitzende der 22. Großen Strafkammer des Berliner Landgerichts gestern mittag das Urteil gegen die drei verbliebenen früheren MfS-Offiziere verkündet, die wegen der Einbürgerung von RAF-Mitgliedern in die DDR angeklagt sind, da läßt er es bei Geldbußen und Verwarnungen bewenden. Urteile, ganz unten auf der Skala möglicher Sanktionen.
Treu bleibt sich Faust, weil er bereits zwei Verhandlungstage zuvor angeregt hatte, das Verfahren gegen die Zahlung nicht allzu hoher Beträge einzustellen. Das aber hatte die Staatsanwaltschaft abgelehnt und Bewährungsstrafen bis zu neun Monaten gefordert. „Verwarnung mit Strafvorbehalt“ heißen nun die Urteile. Der Vorbehalt wird fällig, sollten die Verurteilten in einer zweijährigen Bewährungszeit noch einmal straffällig werden.
Der vierte Angeklagte, Hans- Hermann Petzold, war bereits zuvor gegen Zahlung einer Geldbuße von 2.000 Mark aus dem Prozeß ausgeschieden. Deshalb sollen auch die anderen berappen. Der frühere Leiter der Stasi-Hauptabteilung XXII (Terrorabwehr), Harry Dahl, wird mit 3.750 Mark belegt, sein einstiger Stellvertreter Günter Jäckel soll 5.000 Mark blechen. Gert Peter Zaumseil kommt mit 2.400 Mark vergleichsweise gut weg, weil er am Ende der Befehlskette stand.
Die Höhe der Bußen errechnet sich aus den Einkommensverhältnissen der Angeklagten, gezahlt werden sie aber wohl nie. Sie werden erst fällig, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Doch schon jetzt haben die Verurteilten Revision angekündigt, der Staatsanwalt überlegt nachzuziehen. Der Gang vors Verfassungsgericht ist ebenso angekündigt.
In seiner Urteilsbegründung bejaht Richter Faust ausdrücklich die Zuständigkeit der bundesdeutschen Rechtsprechung. Das hatten Teile der Verteidigung vehement bestritten. Faust sieht weiter den Straftatbestand der „versuchten Strafvereitelung“ verwirklicht, schließlich hätten die Angeklagten eine „Rotte ausgeflippter Bürgerskinder“ Anfang der 80er Jahre der westdeutschen Strafverfolgung hinterzogen. Altruistische Motive der Angeklagten („Wir haben der Bundesregierung in Bonn einen großen Gefallen getan“) will Faust nicht gelten lassen. Der Grund sei eher schon gewesen, „daß es sich schlecht spionieren läßt, wenn der Fahndungsapparat auf Hochtouren läuft“.
Ein mögliches Bonner Wissen um den Ausstieg der RAF-Mitglieder in der DDR kümmert den Richter gar nicht. Er hält den Beschuldigten aber immerhin zugute, daß sie indirekt schwere Straftaten verhindert hätten. Schließlich hätten sie dafür gesorgt, daß die RAF- Aussteiger „auf ihr Spießerleben in ihrer neuen Heimat reduziert“ waren. Anwalt Rüdiger Portius kündigte an, die prinzipiellen Rechtsfragen höchstinstanzlich klären zu lassen. Wolfgang Gast
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