: Man hätte viel falsch machen müssen
■ GAL startet Wahlkampf mit Podiumsdiskussion: Experten finden Ottensen als Standort ideal für kreativen neuen Mittelstand
Wer heutzutage von „den Kreativen“spricht, kommt meistens aus der Wirtschaft und meint keineswegs Künstler. Kreative, das sind Werber, Journalisten, Medienbetriebe und andere Dienstleister der Kommunikation. Diese, so hat die GAL Altona festgestellt, finden ihren Bezirk echt dufte, und weil der Souverän ja jetzt wieder nach Information verlangt, damit er im September gut abstimmen kann, hatte die GAL Altona „Experten“eingeladen. Sich selbst und den Wähler will man mit rührigen Veranstaltungen wie am Freitag abend in den Zeisehallen über die Zukunft von Altona beraten sehen.
„Musik-, Kultur- und Kommunikationswirtschaft: Der neue Mittelstand in Altona?“lautete die erst einmal nicht sonderlich brisant klingende Frage. Und die fünf „Experten“auf dem Podium hatten dann auch kaum Anlaß, sich vor den laut GAL „zahlreich erschienenen“30 Gästen zu streiten. Zu offensichtlich sind der Strukturwandel des Quartiers und seine Ursachen. Das Verschwinden des produzierenden Gewerbes hinterließ Räume, die von Büroangestellten nicht effektiv zu nutzen, aber für „die Kreativen“geradezu ideal sind: billig, groß, atmosphärisch eindrucksvoll und umgeben von einer funktionierenden Infrastruktur. Man hätte schon sehr viel falsch machen müssen, damit sich in den verlassenen Fabriketagen keine Medienbetriebe ansiedeln.
Zehn Prozent dieser Arbeitsplätze, so rechnete Michael Kuhlmann von der Handelskammer vor, liegen in diesem Bezirk. Geballt um bestimmte Zentren überwiegen die kleinen, kreativen Einheiten mit ein bis drei Angestellten. Diese leiden, so ließ sich allgemein feststellen, unter mangelnder Förderung, sei sie kulturelle oder wirtschaftliche Subvention. Mit dem Haus der „Multimedia-Betrieb“an der Behringstraße sei aber ein vernünftiger Baustein geschaffen. Dagegen bedrohe die anstehende Bebauung des Zeiseareals die momentan funktionierende Infrastruktur des Quartiers Ottensen.
Das brüder- und schwesterliche Credo der Veranstaltung war dann auch so knapp wie banal: Man wolle Neues fördern und Altes bewahren, dann wird schon irgendwie alles prima bleiben. Dem Pragmatismus alle Türen öffnen, heißt das auf gut deutsch. Deswegen hätte am Ende ein Bild von Helmut Schmidt aufgehängt und besungen werden müssen: „Ich brauche keine Konzepte, ich brauche nur Experten.“
Till Briegleb
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