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Das fliegende Klassenzimmer

Oberstufen-Reform: Mehr Leistungsförderung, nie wieder Mathe abwählen können, dafür Geld und Erleichterungen fürs Auslandsjahr  ■ Von Silke Mertins

„Die Klagen über die Qualität des Abiturs sind so alt wie das Abitur selbst“, sinnierte Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD) gestern auf der Landespressekonferenz. Dennoch habe die Kultusministerkonferenz der Länder die Beschwerden, etwa der Unis über das sinkende Niveau der allgemeinen Hochschulreife, ernst genommen und Eckpunkte für eine Reform der gymnasialen Oberstufe beschlossen. Hamburg ist das erste Bundesland, das die Neuregelung umsetzt. Ab dem 1. August soll der Endspurt zum Abitur leistungsorientierter, fachübergreifender und allgemeinbildender gestaltet werden.

Die gute Nachricht zuerst: Das beliebte Schuljahr im Ausland, vorzugsweise an einer US-amerikanischen High School, wird künftig nicht nur den Kindern aus betuchten Elternhäusern vorbehalten bleiben. Das Geld, das die Stadt bei den LehrerInnen spart, weil schon jetzt rund 400 von 5000 SchülerInnen einer Jahrgangsstufe 11 in die Ferne schweifen, soll künftig den Fernweh geplagten Kids aus sozial schwächeren Familien zugute kommen. Die genaueren Konditionen – Stipendien, Zuschüsse, Teil- oder Vollförderung – muß die Schulbehörde noch erarbeiten. Ein Auslandsjahr kostet etwa 10.000 Mark, schätzt Raab.

Außerdem wird die Anerkennung eines Auslandsaufenthaltes am heimatlichen Gymnasium erleichtert. Die „Notenschwellen werden herabgesetzt“, erklärte Raab, so daß weniger SchülerInnen nach einem Auslandsschuljahr die Jahrgangsstufe zu Hause wiederholen müssen.

Die schlechte Nachricht: Der Abschied von der Mathematik wird nie wieder vor dem Abitur stattfinden können. Sich dem Formelkauderwelsch, aber auch dem Erlernen einer Fremdsprache oder dem Deutschunterricht mittels Abwählen zu entziehen, ist nach der neuen Regelung nicht mehr möglich. Außerdem wird das sprachlich-literarisch-künstlerische Aufgabenfeld künftig nicht durch das Abiturfach Musik oder Kunst abgedeckt; Deutsch oder eine Fremdsprache müssen Prüfungsfach sein. „Kompetenzkurse“sollen eine individuelle Schwerpunktsetzung ermöglichen, ohne das Erlernen von Grundwissen in den Hauptfächern zu vernachlässigen. Auf diese Weise soll die Allgemeinbildung der AbiturientInnen verbessert werden.

Auch an die Begabten hat die Oberstufenreform gedacht. Neben den üblichen vier Abiturfächern können auf Wunsch in Zukunft „besondere Lernleistungen“gleichberechtigt in die Bewertung einfließen. Als Beispiel nannte Senatorin Raab Arbeiten für „Jugend forscht“oder den „Schülerwettbewerb Deutsche Geschichte“.

Ob beim Abitur tatsächlich ein Nord-Süd-Gefälle existiert – wie Bayern gern behauptet –, darüber soll eine Studie Auskunft geben. Die schulischen Leistungen müßten „von außen überprüft“werden, so Raab. Die Kultusministerkonferenz habe hierzu einen Forschungsauftrag erteilt.

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