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Kinder ins Heim!

■ CDU plädiert für geschlossenen Vollzug, wenn Jugendliche straffällig werden

„Vielen Jugendlichen“, so wütete Rolf Harlinghausen (CDU) gestern in der Bürgerschaft, „ist SAT 1 die Mutter und RTL der Vater.“Sein Fazit: „Heraus kommen kleine Rambos.“

Eine simple Erklärung für das komplexe Problem Jugendkriminalität, das die Bürgerschaft gestern zum Top eins ihrer Aktuellen Stunde erkoren hatte. Und alte Lösungen, das jedenfalls vertrat die CDU, sollen nun alle Probleme lösen. Statt „reisepädagogischer Maßnahmen, die pro Jugendlichem 100.000 Mark kosten“, forderte Harlinghausen die Unterbringung in geschlossenen Heimen.

Konträr zu diesen Scharfmachern die Position von GAL und SPD. Jugendkriminalität, so erklärte GALier Manfred Mahr, sei ein „ganz normales Phänomen“, das in der Regel „episodenhaft“bei Jugendlichen auftrete. Seine Parteikollegin Anna Bruns sprach von einem „strukturellen Zusammenhang von Gewalt- und Armutsentwicklung“. Im Problemstadtteil Neuwiedenthal, in dem sich ein Jugendlicher nach monatelangen Erpressungen durch Altersgenossen umgebracht hatte, beklagten Jugendliche laut Bruns mangelnde Aufmerksamkeit seitens der Politik.

Auch die Hamburger SPD lehnt die Unterbringung von jugendlichen Straftätern in geschlossenen Heimen ab. Die Hansestadt setze auf das Konzept „Menschen statt Mauern“, erklärte der SPD-Abgeordnete Rüdiger Schulz. Das erfolgreiche Konzept sei von vielen Städten in der Bundesrepublik übernommen worden.

Erstaunliche Erkenntnisse waren von Statt-Gruppenchef Achim Reichert zu hören. „Unser soziales Netz verhindert einen Fall ins Bodenlose“, befand er zwar, ergänzte dann aber weise: „Ohne krumme Touren reicht es jedoch allenfalls zum Überleben.“Mit dem ihm eigenen Charisma einer Soziologie-Statistik wies er sodann „Liebe und Konsequenz“als den einzigen Maßstab aller Erziehung aus. ee

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