: Sport, Mord und Totschlag
Eiskunstläufer kriegen gräßliche Krankheiten, im Romantiknebel wird getanzt, und Jogger finden Kinderleichen: Sport im Kino – ein dunkles Kapitel ■ Von Frank M. Ziegler
Ich hab's ja nicht so mit Sport. Und Leute, die's nicht so mit Sport haben, bewegen sich meist langsam, buchstabieren Trizeps falsch und sehen aus Versehen die letzten fünf Minuten „Sportschau“, während sie auf die „Lindenstraße“ warten. Dann fragen sie sich immer, warum auf Stadionrasenflächen eigentlich nie Krokusse blühen, und zappen weiter.
Überhaupt sitzen unsportliche Menschen ja viel vorm Fernseher. Oder im Kino. Dort schauen sie unsportliche Filme und wundern sich, daß alle Filmhelden so durchtrainiert aussehen, obwohl sie immer nur mit Außerirdischen palavern oder Rachefeldzüge gegen untreue Ehepartner planen. Kriegt man davon Waschbrettbäuche? Manchmal, wenn unsportliche Menschen nicht aufpassen, geraten sie sogar in richtige Sportfilme, die dann „Space Jam“ heißen und den Basketballspieler Michael Jordan zeigen, wie er mit einer Horde Zeichentrickmonster Körbe wirft. Das ist dann furchtbar! Wer dreht so was? Wer schaut so was? Während solcher Filme fragen sich unsportliche Leute immer, warum in jedem Spielfilm über Basketball Monster die Helden sind. War ja schon in „Teenwolf“ so, als der pummelige Michael J. Fox vor dem Basketballkorb immer zum Werwolf mutiert ist.
Gott sei Dank gibt es nicht viele Sportarten, die als Plot für 90minütige Zelluloidwerke herhalten dürfen. Fußball und Tennis zum Beispiel sind tabu. Und wenn Fußball doch mal zum Filmplot gehört, dann immer nur deshalb, damit man kurzgeschorene Rowdies bei bösen Straßenschlachten zeigen kann (in „Südkurve“ zum Beispiel). Wenn in Filmen getanzt wird, dann heißen diese Werke immer „Dirty Dancing“, „Lambada“ oder „Strictly Ballroom“, und 70 von 90 Filmminuten kommt dunstartiger Romantiknebel auf, und alle Darsteller sind nackig. Oder zumindest halbnackig. Und dann verlieben sie sich, was das Zeug hält, und der unsportliche Zuschauer weiß endlich, warum seine eigenen Beziehungen nie so schmachtig sind: Da fehlt der durchtrainierte Tanzschritt!
Wenn der cineastische Tanzplot allerdings ballettartig angehaucht ist oder auf dem Eis stattfindet, dann fühlen wir Unsportlichen uns schon besser: In solchen Filmen kriegen die Hauptfiguren nämlich immer ganz gräßliche Krankheiten und dürfen nie wieder rumhopsen! Da atmen wir auf und freuen uns, daß uns das nicht passiert ist. Das gleiche gilt für diese nie enden wollende Schwemme von Kickboxerfilmen mit diesen seltsamen Leuten, die Jean-Claude Van Damme oder Lorenzo Lamas heißen und dauernd aus der Nase bluten müssen, bevor sie selber oder ihr bester Freund im finalen Endkampf gänzlich draufgehen. Nix für uns! Boxen à la „Rocky“ auch nicht. Man hat ja gesehen, wohin das führt.
Dann schon lieber Baseballfilme, die ja immer uuuuuunheimlich witzig sind und von Teamgeist und Freundschaft erzählen, bis es einem zu den Ohren rauskommt. Solche Filme heißen gerne „Die Indianer von Cleveland“ und machen sich großartig im „Ferienprogramm für Kinder“ neben „Die Bären sind los“ und Charly Brown, der auf seinem „Peanuts“-Werferhügel dauernd von Bällen am Kopf getroffen wird. Das ist lustig!
Die Storyline von Joggern beschränkt sich übrigens meist darauf, daß sie gleich zu Anfang des Filmes ermordet werden oder wahlweise in der berühmten Herrgottsfrüh beim atemlosen Durch- den-Wald-Joggen eine mißbrauchte Kinderleiche finden. Wenn der Jogger außerdem noch Dustin Hoffman heißt, dann darf er zusätzlich auch schon mal ohne Betäubung den einen oder anderen Zahn gezogen kriegen. So oder so kann sich der Unsportliche jedenfalls schönere Beschäftigungen vorstellen. Autorennen zum Beispiel. Mit Tom Cruise in „Tage des Donners“. Aber dabei gibt es ja auch immer Leichen. Sport im Kino ist irgendwie immer mit Mord und Totschlag verbunden. Sogar so unspektakuläre Sportarten wie Angeln: Da dreht Robert Redford einmal einen Film über Sportfischer, und schon endet alles mit einem Brudermord beim Forellenangeln. Äbäh: Das nennt sich dann „Aus der Mitte entspringt ein Fluß“ und ist genauso verdammenswert wie „Knight Moves“ mit dem schielenden Christopher Lambert, wo sich die Leute beim Sportschach niedermetzeln, als gehöre das dazu. Mord! Beim Schachspiel! Es sind schon seltsame Filme, die Sport zum Thema haben. Und alle so klischeebeladen! Alle Eishockeyfilme haben Rob Lowe als Hauptdarsteller. Alle Golffilme handeln von Menschen in weißen Anzügen, die ihre Frauen betrügen. Alle Karatefilme sind langweilig.
Der einzige Turnerfilm heißt „American Anthem“ und ist so spannend, wie Nudeln beim Kochen zuzusehen. Und nie gibt es mal Filme über so wichtige Sportarten wie Synchronschwimmen oder Eisstockwerfen. Uns Unsportlichen kann das nur recht sein. Wer braucht schon Sport auf der Leinwand, wenn er statt dessen „Star Wars“ in der neuen Edition sehen kann?! Da ist die Macht auch ohne Sport mit uns!
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