■ CSU will Sozialhilfe für Ausländer kürzen
: Sozialpolitische Giftküche

Welches Faß machen sie heute auf? Höhere Krankenkassenbeiträge? Kürzung der Arbeitslosenhilfe? Streichung von Sonn- und Feiertagszuschlägen? Fast jeden Tag heben die Politiker der Regierungskoalition den Deckel eines anderen sozialpolitischen Fasses an. Mal hier, mal da wird in explosiver Brühe herumgestochert, auf daß der Sozialstaat Bundesrepublik zur sozialpolitischen Giftküche mutiert.

Heute, beim Koalitionstreffen der Christdemokraten, will sich die CSU auf die Sozialhilfe einschießen. Die Sozialhilfe müsse drastisch gesenkt werden, hat CSU-Landesgruppenchef Michael Glos als Vorabparole ausgegeben, damit es sich in Deutschland wieder lohne, zu arbeiten. Und weil die Zahl der nichtdeutschen Sozialhilfebezieher steigt, müsse Ausländern noch zusätzlich die „Stütze“ gekürzt werden. Außerdem stand die Sozialhilfe — ehne, mehne, muh – schon eine Weile nicht mehr auf dem Kürzungsplan. Also! „Schaun mer mal“, mag man in Bayern denken, was dann passiert.

Der Vorschlag beweist – neben eingefleischtem Zynismus – vor allem Mut zur Lächerlichkeit. Angesichts von fast fünf Millionen gezählten Arbeitslosen die alte Stammtischmär aufzutischen, „wer Arbeit sucht, der findet, wer keine findet, ist ein Sozialschmarotzer“ – dazu gehört schon ein gerüttelt Maß Realitätsverlust. Dem Club der Reichen die Vermögenssteuer erlassen und dem Heer der Armen das Geld für die Schuhsohlen oder den Brotbelag streichen – die Zeiten waren noch nie so schlecht, für derlei sozialpolitische Schieflagen Beifall zu finden.

Was Besorgnis erregt an dem christlich-sozialen Sozialhilfekahlschlag, ist weniger das Vorhaben selbst. Es dürfte selbst innerhalb der Union nur wenig Realisierungschancen haben. Was erschreckt, ist, daß derlei Unfug Gegenstand eines „Strategietreffens“ ist. Wenn die Christdemokraten ernsthaft zum Notgroschen Sozialhilfe greifen müssen, um die Staatsfinanzen zu retten, dann ist jegliche Strategie längst dem Weg des geringsten Widerstands gewichen. Sozialhilfeempfänger stürmen keine Bannmeile und zünden keine Bauzäune an. Wer allein deshalb denkt, ihnen unbeschadet ein paar Mark abknöpfen zu können, hat jeglichen Anspruch aufgegeben, überhaupt noch Sozialpolitik zu machen. Aber wahrscheinlich werden in Bonn nur deshalb täglich neue Fässer aufgemacht, weil so viele Flaschen auf einen inhaltliche Füllung warten. Vera Gaserow