piwik no script img

Vertraulicher Bericht warnt vor Abschiebungen

■ Zudem können Innenminister ihren Zeitplan für Rückschiebungen nach Bosnien nicht einhalten. Auch das Rücknahmeabkommen soll nachverhandelt werden

Bonn (AFP) – Die Bundesländer werden ihre Zeitpläne zur Rückführung der rund 320.000 bosnischen Kriegsflüchtlinge und der 135.000 ausreisepflichtigen Jugoslawen nicht einhalten können. Einige Länder wollen Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) deshalb bei einem Treffen der Innenministerkonferenz am kommenden Freitag auffordern, die von ihm mit Bosnien-Herzegowina und Restjugoslawien ausgehandelten Rücknahmeabkommen nachzuverhandeln. Diese Informationen aus einzelnen Bundesländern liegen der Nachrichtenagentur AFP vor.

Nach dem bisher gültigen Beschluß der Innenministerkonferenz sollten die meisten Flüchtlinge bis August freiwillig oder unter Zwang in die Staaten Exjugoslawiens zurückkehren. Bislang hatten aber nur Bayern und Berlin mit der Rückschiebung begonnen; beide Länder wollen das Tempo jetzt mit Gruppenabschiebungen steigern. Die Landesinnenminister kritisieren an den Rückübernahmeabkommen vor allem die umständlichen Verfahren: Für Rückführungen müßten unter anderem in jedem Einzelfall zuvor Übernahmeersuchen gestellt und Identitäts- und Staatsangehörigkeitsfeststellungen veranlaßt werden.

Die Innenministerkonferenz beraumte zur Klärung dieser Fragen für Freitag ein Treffen auf Staatssekretärsebene an. Ohne eine Nachbesserung der Abkommen sei eine kurzfristige Rückführung in größerem Stil nicht möglich, hieß es dazu. Das Auswärtige Amt warnte in einem vertraulichen Bericht bereits Ende Januar zudem vor der Rückführung von Flüchtlingen in die von bosnischen Serben eroberten Gebiete. Wörtlich heißt es in dem Papier: „In der Republik Srpska halten auch gegenwärtig die Vertreibungen von Nichtserben an. Eine Rückkehr von Bosniaken und Kroaten in ihre Herkunfstorte in die Republik Srpska ist derzeit nach wie vor so gut wie ausgeschlossen.“ Nach Angaben der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl stammen rund 60 Prozent der Flüchtlinge in Deutschland aus diesen serbisch besetzten Gebieten. Die Innenminister von Bund und Ländern hatten vergangenen September beschlossen, daß die Flüchtlinge grundsätzlich ab 1. Oktober auch zwangsweise zurückgeschickt werden können. Über den genauen Zeitpunkt konnten die Länder aber jeweils selbst entscheiden.

Nach dem Stufenplan der Innenminister sollte die Ausreise von ledigen und kinderlosen Flüchtlingen bis Mitte 1997 abgeschlossen sein. Danach sollten auch Familien mit Kindern zurückgeschickt werden. Auf die Lage in der jeweiligen Region in Bosnien sollte dabei Rücksicht genommen werden: Flüchtlinge sollten nur in solche Gebiete zurückgeschickt werden, wo sie in ihrer „ethnischen Mehrheit“ leben könnten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen