: Flächen, Filz und Volkspark
■ Die umstrittene Mehrzweck-Entscheidung des Senats: Zum taz-Streitgespräch gingen in die Arena Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow (SPD) und GAL-Abgeordnete Heike Sudmann
taz: Die GAL hat scharfe Vorwürfe gegen das Ausschreibungsverfahren und die Senats-Entscheidung für die geplante Volkspark-Arena erhoben. Von Ungleichbehandlung der Investoren, Filz und Intransparenz, ja gar Betrug ist die Rede.
Heike Sudmann: Wir müssen vielleicht von Betrug reden, wenn sich herausstellen sollte, daß mit Investoren nicht unter gleichen Bedingungen verhandelt oder bei den Grundstücksgeschäften auf Einnahmen verzichtet wurde. Ob da Betrug, Einnahmeverzicht oder Vorteilsnahme im Spiel war, muß sich aber erst noch herausstellen.
Thomas Mirow: Ich betrachte es nicht als Verrat am Vaterland, wenn die GAL gegen das Projekt ist. Aber ich verwahre mich gegen polemische Unterstellungen, die suggerieren, daß es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Eine privatwirtschaftliche Mehrzweckhalle, wie sie in Hamburg seit langem gefordert wird, ist schwer realisierbar. Deshalb muß man öffentlich debattieren, was einem die Sache wert ist. Da kann man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Mit Betrug hat das alles nichts zu tun.
Sudmann: Um eine solche Diskussion zu führen und die Senats-Entscheidung zu bewerten, müssen erst einmal die Kosten für die Stadt auf den Tisch. Wenn von einigen Investoren gefordert wurde, 80 Millionen Mark für die Mantelnutzung zu zahlen und von der Investorengruppe Holzmann/Deuteron nicht, dann ist das Ungleichbehandlung. Auch die Grundstücke müssen geschätzt werden. Daß der Senat Volkspark-Flächen für eine Mark verkaufen will, verwundert. Schließlich hatte der Investor diese Forderung gar nicht gestellt, sondern war bereit, einen marktüblichen Preis zu zahlen...
Mirow: ...wenn wir ihm dafür Baukostenzuschüsse und Erschließungsbeiträge zahlen, die weit über das hinausgehen, was wir jetzt vereinbart haben.
Trotzdem gibt es massive Vorwürfe, daß die Stadt schlecht verhandelt habe.
Mirow: In dieser Debatte wird zu wenig beachtet, daß es nicht darum geht, jetzt ein möglichst günstiges Ergebnis für die Stadt herauszuholen, und dann soll das Unternehmen mit dem Projekt fertig werden, wie es mag. Das größere Risiko für die Stadt liegt darin, daß die Geschichte nicht funktioniert. Dann nämlich kommt Hamburg faktisch in den Zwang, ein solches Projekt mit jährlichen Ausgleichssummen zu subventionieren.
Sudmann: Die GAL jedenfalls würde keine Flächen verschenken. Sie befürwortet deshalb ein anderes Konzept, das erstens weniger Flächen verbraucht und zweitens der weiteren Zubetonierung des Volksparks einen Riegel vorschieben würde...
...die Senator Mirow schon im Hinterkopf hat?
Mirow: Ich habe immer gesagt, ich bin für den Volkspark, weil andere Standorte wie Rahlstedt oder Harburg keine Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Und ich bin der Meinung, daß bestimmte Formen von Wissensvermittlung, Freizeit und Entertainment künftig eine zunehmende Rolle in der Stadt spielen werden. Die Nachfrage ist da, bei den Menschen und auch bei den Unternehmen. Den eigentlichen Grün- und Erholungsbereich des Volksparks will dabei niemand antasten.
Sudmann: Ein Freizeit- und Wissenschaftspark a la Parque de la Villette in Frankreich oder Disneyland wäre mit der GAL eindeutig nicht zu machen. Für uns steht im Vordergrund, daß der Volkspark mit seinen angrenzenden Arealen, also nicht nur der klassische Volkspark, für Erholungszwecke weiter zur Verfügung steht. Und genau deswegen muß die Bürgerschaft wissen, worüber sie spricht, wenn sie in diesem Frühjahr diese weitreichende Entscheidung trifft. Und auch die Menschen vor Ort sollten das endlich erfahren. Herr Mirow, Sie sagen, Sie sind für den öffentlichen Dialog, informieren aber nicht über Ihre Pläne.
Ist das geplante Fußball-Stadion am Millerntor in die Rentabilitätsberechnungen zur Mehrzweckhalle einbezogen worden?
Mirow: Nein. Die Strukturen sind sehr unterschiedlich. Hier ein Fußballstadion, dort ein Stadion und eine Halle für Veranstaltungen mit bis zu 15.000 Zuschauern.
Wie sollen sich beide Stadien finanziell tragen, ohne daß Thomas Mirow einmal wöchentlich ein Michael Jackson-Konzert besorgt und alle Hamburger verpflichtet, da im Abonnement hinzugehen...
Mirow: Ich garantiere Ihnen, daß ich nicht einmal die Woche Michael Jackson besorge...
Dafür danken wir Ihnen.
Mirow: Der wesentliche Grund dafür, daß beide Stadien nebeneinander existieren können, ist, daß die beiden Projekte auf unterschiedlichen Veranstaltungskonzepten basieren. Gerade weil das wesentliche Konzept des Volksparks darauf beruht, ein großes Stadion nicht zugleich als Veranstaltungshalle zu benutzen, sondern losgelöst davon eine kleinere, multifunktionale Veranstaltungshalle zu haben, wird es funktionieren.
Sudmann: Es wird durchaus Überschneidungen im Veranstaltungssegment geben. St. Pauli wird natürlich versuchen, Fußballveranstaltungen, Länderspiele und andere Großereignisse ans Millerntor zu bekommen. Weniger Veranstaltungen und somit weniger Einnahmen im Volksparkstadion machen es notwendig, mehr Geld aus dem Betrieb der Arena und der Mantelnutzung herauszuziehen, um den Betrieb des neuen Stadions zu finanzieren.
Wäre denn eine erneute öffentliche Ausschreibung sinnvoll, um Ihren Streit zu schlichten?
Sudmann: Es wäre lächerlich, das gesamte Ausschreibungsverfahren zu wiederholen. Aber zumindest die Nachverhandlungen müssen kontrolliert werden. Und da muß es nachträglichen Verhandlungsspielraum geben.
Mirow: Wenn man sich bundesweit lächerlich machen möchte, empfiehlt sich eine erneute Ausschreibung geradezu. Im übrigen: Meine Zeit ist zunächst begrenzt bis zur Wahl am 21. September, und ich möchte bis dahin was zustande bringen, von dem ich glaube, daß es für die Stadt gut und richtig ist. Ich möchte nicht, daß der Senat hinterher von Krista Sager erneut zu hören bekommt: „Du hast es vermurkst, Süßer“.
Moderation: Heike Haarhoff / Marco Carini
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