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„Angeklagter geprägt von Haß“

■ „Lebenslänglich“ für Nazi wegen dreifachen Mordes. Angeklagter: „So haben die Juden ihren Willen bekommen“

Essen (AP) – Lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung wegen dreifachen Mordes und Vergewaltigung: So lautet das gestern verhängte Urteil für den 28jährigen Neonazi Thomas Lemke – die höchste vom Landgericht Essen nach dem Krieg verhängte Strafe. Der Vorsitzende der Schwurgerichtskammer, Rudolf Esders, sagte, Lemke habe aus niederen Beweggründen und Heimtücke getötet. Der Angeklagte sei geprägt von Haß und völligem Unvermögen, sich in das Leid anderer Menschen hineinzuversetzen.

Der Angeklagte kommentierte das Urteil im vollbesetzten Gerichtssaal mit den Worten: „Somit haben die Juden ihren Willen bekommen.“ Im Saal anwesende Gesinnungsgenossen applaudierten ihm dafür. Der Richter ließ daraufhin ihre Personalien feststellen und verhängte gegen drei der rechten Sympathisanten eine Ordnungshaft von jeweils drei Tagen. Eine mitangeklagte 26 Jahre alte Bekannte Lemkes wurde wegen Mordes zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, ein 25jähriger Freund wegen Beihilfe zum Totschlag und zur Vergewaltigung zu fünf Jahren.

Lemke hatte am 15. 3. 1996 einen ehemaligen Gesinnungsgenossen in Dorsten mit zwei Schüssen aus einer Pumpgun getötet. Außerdem hat Lemke am 16. 7. 1995 eine 25jährige Frau in einem Wald bei Altena vergewaltigt und erschlagen. Am 3. 2. 1996 vergewaltigte und ermordete er in Bergisch Gladbach eine 23jährige Frau.

„Lemke ist in seiner Persönlichkeit schwer gestört. Nur das allein macht seine Taten erklärlich“, meinte Richter Esders in seiner Urteilsbegründung. „Er gehört zu uns allen – mit seinem unverlierbaren Recht auf Achtung. Aber dieses humane Menschenbild kennt er nicht.“ Der vorbestrafte Angeklagte ist nach den Worten des Richters „geprägt von der Mißachtung Andersdenkender und Andersaussehender“.

Lemke soll nach der Tötung des Opfers in Bergisch Gladbach gesagt haben, „Linke haben kein Recht zu leben“. Die 23jährige hatte einen Anti-Nazi-Sticker getragen. Nach der Vergewaltigung der jungen Frau hatte Lemke sein Opfer mit insgesamt 91 Messerstichen umgebracht. Lemke selbst hatte nach seiner Festnahme sogar noch weitere Morde gestanden und erklärt, er habe im Auftrag des altgermanischen Gottes Odin gehandelt. Doch brachten Polizeirecherchen keine Hinweise auf zusätzliche Taten. Andreas Rehnolt

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