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Zwiespältiges Urteil

■ Berliner Richter: IM-Klarnamen dürfen nicht generell publiziert werden

Berlin (taz) – Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi dürfen in Veröffentlichungen nur noch dann namentlich genannt werden, wenn sie für das ehemalige DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) von besonders großer Bedeutung waren. Dem gewöhnlichen IM also soll in Zukunft das „Menschenrecht auf Vergessen“ zugestanden werden, wie es der Anwalt Johannes Eisenberg als Vertreter des Klägers in einem entsprechenden Prozeß im Berliner Landgericht gestern auch gefordert hatte: ein Musterentscheid mit weitreichenden Folgen.

Der Literaturwissenschaftler Gunnar Müller-Waldeck hatte gegen den Berliner Ch. Links Verlag und die Gauck-Behörde geklagt, weil seine jahrelangen Kontakte zum MfS in einem von beiden verantworteten Buch mit dem Titel „Sicherungsbereich Literatur“ als Fallbeispiel erwähnt worden ist. Zwar hatte dessen Autor Joachim Walther keinen Zweifel daran gelassen, daß sich der früher in Greifswald tätige Professor Müller-Waldeck noch zu DDR-Zeiten aus eigener Kraft vom MfS lösen konnte. Doch Müller-Waldeck beanstandete, daß die entsprechenden Passagen kein ausreichendes Bild seiner Persönlichkeit zeichnen würden.

Auf eine außergerichtliche Einigung ließ sich Müller-Waldeck nicht ein. Trotz der Bereitschaft des Ch. Links Verlags, eine Neuauflage des Buches um entlastende Informationen zu erweitern, mußte vor Gericht grundsätzlich verhandelt werden, ob das „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ höher wiegt als das öffentliche Interesse an der historischen Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit.

Müller-Waldeck, inzwischen mit einem Lehrauftrag an der finnischen Universität Vaasa betraut, ließ sich von Johannes Eisenberg vertreten, der sich in der Vergangenheit unter anderem als Verteidiger von Erich Mielke einen Namen gemacht hat. Eisenberg führte aus, daß es der Klägerpartei nicht um eine Beschneidung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Stasi-Vergangenheit ging, sondern um den Schutz von Persönlichkeitsrechten. Die Gegenpartei argumentierte hingegen mit der exponierten Stellung Müller- Waldecks als Publizist und Hochschullehrer.

Stasi-Unterlagen, so die Kläger, sollen künftig anonymisiert veröffentlicht werden. Auf diese Weise könne eine „Kopfjagd“ (Eisenberg) verhindert werden. Der Verleger Christoph Links wies hingegen darauf hin, daß die Nennung der Namen eine Versachlichung der Debatte ermögliche.

Das Landgericht Berlin gab der Klage gestern im wesentlichen statt. Falls Müller-Waldeck vorhatte, mit seiner Klage zu verhindern, daß die Geschichte seiner Verstrickung weiter öffentliche Verbreitung findet, hat er den falschen Weg gewählt. Der Ch. Links Verlag und die Gauck-Behörde haben bereits Berufung eingelegt. Kommen sie damit nicht durch, ist mit einer Flut von Klagen ehemaliger IMs zu rechnen, die für sich dasselbe Recht einfordern könnten. Peter Walther

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