: Für sieben Mark bei debis schuften
■ Polnische Bauleute vom Potsdamer Platz wollen gegen untertariflichen Lohn klagen und erheben Betrugsvorwurf
Sieben Mark die Stunde sind zu wenig – auch für polnische Bauarbeiter, die in Warschau im Monat nur etwa 1.000 Mark netto verdienen. „Wir sind betrogen worden“, sagt Tadeusz R., 35jähriger Eisenflechter aus Warschau. Er und 13 Kollegen von der debis-Baustelle am Potsdamer Platz schmissen den Job und wollen jetzt gegen die untertarifliche Bezahlung durch ihre polnische Baufirma „Format“ klagen. „Eine solche Klage ist schwierig, aber man muß es versuchen“, sagt Hans-Peter Meister vom Verein „Polnischer Sozialrat“, der die Bauleute unterstützt.
Was Tadeusz und seinen Kollegen passierte, ist nur ein Beispiel für den täglichen Betrug auf hiesigen Baustellen. Dabei glaubte der Eisenflechter zuerst an einen Glücksfall, als er in Warschau von „Format“ für den Job in Deutschland ausgewählt wurde. 1.600 Mark netto sollten die Bauhandwerker im Monat bekommen, bei normaler Arbeitszeit also ein Stundenlohn von rund zehn Mark. Damit allerdings fing schon der erste Betrug an.
Um nämlich vom zuständigen Arbeitsamt in Deutschland überhaupt eine Erlaubnis für die Werkvertragsarbeitnehmer zu bekommen, mußte die Firma „Format“ nach den geltenden Gesetzen dem Arbeitsamt Verträge vorlegen, die mindestens einen Nettolohn von fast dreizehn Mark die Stunde festschreiben.
Das ist der niedrigste Tariflohn für Bauarbeiter aus dem Osten. „Wahrscheinlich hat die Firma mit zwei Arten von Verträgen operiert“, erklärt Hans-Peter Meister. Ein Vertrag fürs Arbeitsamt, ein zweiter mit anderen Zahlen für die Bauhandwerker.
Vor Ort ging der Schmu dann weiter. „Wir leisteten viele Überstunden, schufteten manchmal bis 22 oder 23 Uhr“, berichtet Tadeusz über die vergangenen acht Monate. Von diesen Überstunden hatte nichts in den Verträgen gestanden. Für einen Monat mit 60-Stunden-Woche erhielten die Arbeiter nur 2.000 Mark netto oder weniger. Auf Beschwerden der Arbeiter erklärte „Format“- Chef Mikulecki, er zahle nicht nach Stunden, sondern nach Ergebnis. Da müsse man eben die vielen Toilettengänge und Zigarettenpausen abziehen. Zudem hätten viele „Format“-Arbeiter schon zu Beginn Blanko-Kündigungen unterschreiben müssen, die den sofortigen Rausschmiß erlaubten.
Als der Polnische Sozialrat den 140 Arbeitern von „Format“ Hilfe anbot, entschlossen sich 14 Leute, die Arbeit niederzulegen. Schriftliche Klageschreiben gehen jetzt an das Arbeitsgericht, die entscheidenden Klagen jedoch müßten in Warschau erhoben werden, weil die Firma dort ansässig sei, erklärt Hans-Peter Meister.
Für die vergangenen acht Monate fordern die Arbeiter eine Nachzahlung von fast einer Viertelmillion Mark. Ob ihnen die Differenz zum untersten deutschen Tariflohn jedoch jemals von einem polnischen Gericht zugesprochen wird, ist zweifelhaft. Zumal viele der Handwerker mehrmals Erklärungen unterschreiben mußten, daß sie mit der Höhe der Entlohnung durch „Format“ einverstanden seien. Barbara Dribbusch
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