: Die Blumen der Bösen
■ Die Staatsbibliothek erinnert mit einer Ausstellung an die Künstlerin und Wissenschaftlerin Maria Sibylla Merian
Das Porträt der bemerkenswerten Frau ist zwar auf unseren Banknoten, aber dennoch ist Maria Sibylla Merian kaum bekannt. Sei es, daß die Gelegenheit, Fünfhundertmarkscheine zu studieren, eher selten ist, sei es, daß ihre Blumen- und Schmetterlingsbilder zu speziell oder zu gefällig erscheinen. Dabei war die vor 350 Jahren in Frankfurt geborene Künstlerin und Wissenschaftlerin, die erstmalig die genaue Generationsfolge der Insekten beschrieb und abbildete, zu ihrer Zeit von London bis St.Petersburg hoch geschätzt.
Fasziniert von der ungewöhnlichen Biographie der Maria Sibylla Merian hat Ingrid Wiemann von der Hamburger „Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur“eine Ausstellung zusammengestellt, die etliche Schaukästen im Katalog-saal der Staatsbibliothek füllt, und zudem das geschäftige Ambiente des Raumes mit exotischen Pflanzen auflockert. Sonst mit dem Denkmalschutz für Hamburgs historische Gärten befaßt, stellt die Gesellschaft hier Leben und Umfeld einer Frau dar, die als barocke Blumenmalerin begann und als aufgeklärte Forscherin über tropische Insekten berühmt wurde.
Auch wenn ihr bekannter Vater, der Kupferstecher und Kartograph Matthäus Merian starb, als sie erst drei Jahre alt war, wächst sie im Kontext reichsstädtisch-bürgerlicher Künstler-Verleger auf. Sie befaßt sich mit Malen, Kupferstechen, Latein und Seidenraupenzucht und heiratet einen Architekturmaler. Sie veröffentlicht Blumenbücher und setzt ihr Talent auch kunstgewerblich ein. Blumenbücher hatten in der Barockzeit einen ganz anderen Stellenwert als heute: Damals kamen die meisten der heute geläufigen Pflanzen als Luxusgüter aus den Kolonien nach Europa. Die Exotik erklärt die Begeisterung für die Blumen.
1679 erschien der erste Teil von Merians Schmetterlingsbuch Der Raupen wunderbare Verwandelung. Sich mit Insekten zu befassen, rückte eine Frau damals in die Nähe der Hexerei. Schließlich galt als gesichert, daß diese Tiere auf dem Wege der „Urzeugung“aus Dreck entstanden. So war es revolutionär, daß Maria Sibylla Merian deren Metamorphose vom Ei über die Raupe zum Flügelwesen erforschte und samt deren spezifischen Wirtspflanzen darstellte.
Nach zwanzig Ehejahren trennt sie sich vom Ehemann und zieht mit ihren Töchtern in eine religiöse Sekte nach Holland. Seit 1691 lebt sie dann als selbstständige Malerin und Kauffrau im liberalen und ökonomisch erfolgreichen Amsterdam. Im Alter von 52 Jahren mobilisiert sie alles Vermögen und begibt sich trotz aller Warnungen ins tropische Südamerika. Sie lebt und forscht im damals holländischen Surinam, bevor sie nach zwei Jahren an Malaria erkrankt nach Amsterdam zurückkehren muß.
Dennoch bleiben ihr noch 16 Jahre, die Erkenntnisse dieser Reise auszuwerten und in ebenso schönen wie bis heute wissenschaftlich weitestgehend korrekten Kupferstichwerken zu publizieren.
Hajo Schiff
Staatsbibliothek, bis 17. Mai
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