piwik no script img

Abschiebung Zwölfjähriger ausgesetzt

■ Mädchen muß vorerst nicht nach Vietnam, weil Eltern dort nicht auffindbar sind. Petitionsausschuß entscheidet

Die Abschiebung der zwölfjährigen Vietnamesin H. (taz vom 18.4.) ist vorerst ausgesetzt. Diese Zusage hat jetzt die Senatsjugendverwaltung dem bündnisgrünen Abgeordneten Riza Baran gemacht. Ingrid Stahmers Behörde hatte erst durch Baran und den taz- Bericht von der geplanten Abschiebung erfahren. Normalerweise darf die Innenverwaltung Kinder nur abschieben, wenn ein Jugendamt eine kindgemäße Betreuung im Herkunftsland organisiert hat.

Bis über die Abschiebung auf Antrag der Bündnisgrünen im Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses entschieden ist, darf das Mädchen in Berlin bleiben. Auf Dauer kann es das aber nur, wenn es ein Aufenthaltsrecht erwirbt. Der Anwalt riet dem Onkel, bei dem das Kind derzeit in Frohnau lebt, von einem Adoptionsantrag jedoch ab, weil er mit 53 Jahren zu alt sei, für eine Zwölfjährige zu sorgen.

Das Mädchen sollte zurück nach Vietnam geschickt werden, so die Sprecherin des Innensenators, Francine Jobatey, weil die leiblichen Eltern in Vietnam einen Antrag gestellt hätten, ihre Tochter zurückzubringen. Dann wäre Deutschland tatsächlich völkerrechtlich verpflichtet, das Kind zu den Eltern zu schicken. Der Onkel bestreitet jedoch ein Interesse der Eltern. Diese hätten sich gleich nach H.'s Geburt getrennt und das Kind in eine fremde Familie gegeben, in der es lieblos aufwuchs. Als das Mädchen sieben war, hatten die Großeltern es zum Onkel nach Berlin geschickt. Er selbst habe seit Jahren nichts mehr von den Eltern seines Pflegekindes gehört.

Eine Bescheinigung der Hanoier Stadtverwaltung, die der Ausländerbehörde vorliegt, bestätigt die Unauffindbarkeit der Eltern. Dem Onkel der Zwölfjährigen wurde von einem vietnamesischen Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Hanoi bestätigt, daß es keinerlei Kontakte deutscher Behörden zu den Eltern gebe.

Bereits bei der Abschiebung eines vietnamesischen Kindes im Januar hat sich die Innenverwaltung auf die Zusage des Hanoier Innenministeriums berufen, das Kind würde zu den Großeltern zurückkehren. Nach Recherchen der Grünen-Politikerin Rita Kantemir waren die pflegebedürftigen Großeltern in Vietnam jedoch nicht einmal über die Ankunft ihrer Enkelin informiert. Die Waise muß heute in der Hafenstadt Hai Phong ihren Lebensunterhalt allein verdienen.

Vietnam nimmt seine Staatsbürger nur wieder auf, wenn Deutschland persönliche Daten wie die letzte Wohnanschrift und Geburtsdaten der Eltern liefert. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der PDS, Karin Hopfmann, vermutet, daß die Innenverwaltung die Bestätigung dieser Daten falsch interpretiert: Sie interpretierten, so Hopfmann, vermutlich daraus heraus, daß die Eltern prinzipiell einer Rückführung und einer Aufnahme zustimmen würden. Hanoi bestätige jedoch lediglich die Identität der Eltern und der alten Anschrift aus dem Melderegister, ohne zu kontrollieren, ob die Herkunftsfamilie überhaupt noch dort wohnt, wo sie vor Jahren einmal gemeldet war. Marina Mai

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen