piwik no script img

■ ChronikDer Prozeß von 1986 bis 1996

4. August 1986: Die beiden Kinder Melanie und Karola Weimar werden im mittelhessischen Philipstal-Nippe als vermißt gemeldet. Eine aufsehenerregende Suchaktion beginnt. Vater und Mutter beteiligen sich beide daran und erwecken den Anschein, die Kinder seien entführt worden.

8. August 1986: Beide Kinder werden ein paar Kilometer vom Elternhaus entfernt tot gefunden. Sie sind erstickt und erwürgt worden. Die Kriminalpolizei in Bad Hersfeld vermutet den Täter früh in der Familie und verdächtigt abwechselnd Vater und Mutter.

28./29. August 1986: Monika Weimar wird ohne Beisein eines Rechtsanwalts als Zeugin vorgeladen, dann aber wie eine Beschuldigte unter Druck gesetzt. Nach stundenlangen Vernehmungen beschuldigt sie ihren Ehemann der Tat. Der habe, als sie nachts von einem Treffen mit ihrem Liebhaber gekommen sei, am Bett der Kinder gesessen. Sie seien beide tot gewesen. Er habe gesagt: „Jetzt bekommt keiner die Kinder.“ Sie habe einen Schock gehabt und sich ins Bett gelegt. Gegen Morgen habe sie gehört, wie ihr Mann die toten Kinder fortbrachte. Sie habe auch während der Suchaktion nichts gesagt, weil sie sich ihrem Mann gegenüber schuldig fühlte. Gegen Monika Weimar wird Haftbefehl erlassen.

23. März 1987: Beginn des Prozesses vor dem Fuldaer Landgericht. Das erste Verfahren gegen Monika Weimar im Jahr 1987/88 war begleitet von einem beispiellosen Medienrummel. Ein Exklusivvertrag der damaligen Verteidiger mit dem stern schadete ihr mehr, als daß er ihr nutzte. Monika Weimar wirkte während der gesamten Verhandlung unbeteiligt oder verwickelte sich in Widersprüche. Im nachhinein stellte sich heraus, daß das wohlmeinende Gefängnispersonal ihr vor jedem Verhandlungstag Psychopharmaka gegeben hatte.

8. Januar 1988: Das Fuldaer Landgericht verurteilt Monika Weimar wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft. In den folgenden Jahren kämpft Monika Weimar, jetzt Böttcher, für die Wiederaufnahme des Verfahrens.

5. Juni 1996: Beginn des neuen Prozesses vor dem Landgericht Gießen, ausgerechnet vor jener Kammer, die die Wiederaufnahme zuvor abgelehnt hatte. Diesmal macht die Angeklagte auf Anraten ihrer Anwälte weitgehend von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Der Medienkrieg setzte sich auch im neuen Verfahren fort. Die Verteidigung warf einem Nachrichten-Magazin vor, es habe im Interesse von Ex- Ehemann Reinhard Weimar einen Teil des Honorars der Nebenklage bezahlt. Zudem schreibe dessen Reporterin die Verurteilung herbei. Die sah sich im Blatt zu einer persönlichen Ehrenerklärung genötigt. Ein Fernsehreporter mußte in den Zeugenstand, nachdem er Kevin Pratt, den Ex-Liebhaber Böttchers, interviewt hatte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen