: Scharfe Schnäbel für die Oberkrähen
■ Das neue Hochschulrahmengesetz bringt den Ordinarius zurück: Starke Dekane stehen für weniger Mitbestimmung in den Universitäten
Man könnte auch schlicht weniger darüberschreiben. Das Hochschulrahmengesetz (HRG), eines der häßlichsten Beispiele deutscher Regelungswut, soll reformiert werden. Endlich! Aber nein. Die Novelle schmeckt nach Asbach uralt: Weniger Mitwirkungsrechte, weniger Geld, weniger akademische Freiheit. So lautet das unausgesprochene Motto der zu erwartenden Gesetzesvorlage. Im Herbst soll das Paragraphenwerk durch Bundestag und -rat sein.
Die fragile Demokratie an der Universität ist durch die Novelle aus zweierlei Gründen gefährdet. Zum einen wird der Gesetzgeber auf Vorschlag von Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) voraussichtlich einen Großteil der Paragraphen des HRG rasieren. Weniger Paragraphen klingt gut, setzt aber die halbherzige universitäre Mitbestimmung vollends aufs Spiel: Wer garantiert den Studierenden, daß sie nach der Novelle nicht noch weniger zu sagen haben in der Uni?
Zum anderen soll es künftig sogenannte „starke Dekane“ geben. Auf deutsch: Die Fachbereichsleiter sollen ihre Kollegen kneifen können und die Knete verteilen. Hinter der vermeintlich höheren Effizienz „monokratischer Leitungsstrukturen“ (Rüttgers) versteckt sich nichts anderes als eine weitere Machtverschiebung in Richtung einer ständisch privilegierten Professorenschaft. Der Ordinarius läßt grüßen. Ein starker Dekan, das ist die Oberkrähe, der man zeitlich befristet einen schärferen Schnabel umhängt. Wie sich die zusätzliche Dispositionsgewalt über Finanzen und Organisation mit dem wissenschaftlichen Prinzip des herrschaftsfreien Diskurses verträgt, wird sich zeigen. Womöglich bekommt das Verfassungsgericht die Chance, sein Schandurteil von 1973 zu revidieren. Damals schanzten die Verfassungsinterpreten ihren Kollegen Professoren die garantierte Mehrheit in allen Uni-Gremien zu.
Die Studierenden seien selbst ebenfalls Träger der akademischen Freiheit von Forschung und Lehre, urteilten die Richter damals. Das könnte einen Gang nach Karlsruhe interessant machen. Der Rüttgers-Club der Wissenschaftsminister der Union möchte nämlich Eignung und Neigung so oft und so gründlich wie möglich überprüfen: in Form einer Studieneingangsprüfung, einer Zwischenprüfung und einer sogenannten „obligatorischen Studienberatung“. Damit dürften die akademischen Freiheiten der Studierenden wirkungsvoll umzäunt sein. Gestraffte Studiengänge und verkürzte Studierzeiten (Fachhochschule acht, Uni neun Semester) werden genügen, um Humboldts Freiheit und Einsamkeit endgültig Makulatur werden zu lassen.
Weniger Geld gilt sowieso angesichts der Krise der öffentlichen Haushalte. 28 Milliarden Mark sieht „Zukunftsminister“ Rüttgers alljährlich in den Unis verschwinden. Mehr Geld gebe es nicht, sagte er, die Hochschulen sollen besser damit wirtschaften. Zu diesem Zweck bekommen die Unis eine Reihe von Instrumenten, die der Betriebswirtschaftslehre entnommen sind: Die Unis sollen eine Kosten- und Leistungsrechnung einführen. Damit sie endlich wissen, wer wieviel und vor allem wofür ausgibt.
Die anderen beiden Elemente ökonomischer Steuerung, die Rüttgers erst herbeireformieren will, hat Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) in Berlin bereits auf den Weg gebracht: Die leistungsabhängige Hochschulfinanzierung und die „Globalhaushalte“. Im Klartext heißt das: Die Unis erhalten künftig als festen Zuschuß nur noch einen Sockelbetrag. Darauf zahlt das Land einen Bonus – der abhängig gemacht wird von der Leistungsfähigkeit der Uni. Gemessen wird die Leistung an Absolventenzahlen und -noten, der Qualität der Lehre und der Güte der Forschung.
Sockelbetrag und Bonus ergeben zusammen den Globalhaushalt. Der Witz daran soll sein, daß die Universitäten selbst darüber verfügen können. Angeblich, so versprechen die Wissenschaftsminister allesamt, wollen sie künftig nicht mehr in die finanziellen Angelegenheiten der akademischen Lehranstalten hineinregieren. Ob die Rüttgers und Radunskis so lernfähig sein werden, muß sich noch erweisen. Christian Füller
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