piwik no script img

„Wir dürfen nicht ins Freizi“

■ Huchtinger Jugendliche beschweren sich / Nur warme Worte von Verantwortlichen

In Huchting steppt kein Bär. In Huchting ist vielmehr der Hund begraben. Die Jugendlichen im Ortsteil wissen, wo: In den zwei betreuten Treffpunkten beispielsweise, im „Freizi“und dem „Alten Ortsamt“. Nur die Streetworker vom Projekt „Grenzgänger“kommen bei ihnen gut an. „Weil die immer hinter uns herlaufen. Aber wenn wir mehr Räume hätten, könnten sie uns auch dort treffen“, sagt der 16jährige Erhan* unzufrieden. Er und 30 weitere Jugendliche präsentierten den Huchtinger Beiratsmitgliedern am Montag abend eine lange Beschwerdeliste.

„Ins Freizi kommen wir überhaupt nicht rein“, sagte Erhan. Seine Kumpels nickten: „Das hat nur einmal die Woche auf.“Und im Alten Ortsamt spielen vor allem Bands. „Dahin kommen eher pflegeleichte Jugendliche“, wissen die erwachsenen SozialarbeiterInnen und Beiratsmitglieder selbst, die Montag abend in die Aula der Schule Flämische Straße gekommen waren. Thema der Begegnung, die bereits vor dem tödlichen Straßenbahnsturz des 15-jährigen Dennis B. vor einer Woche verabredet worden war, war die Situation der Jugendlichen im Stadtteil.

„Eine Dokumentation“hatte Beiratsmitglied Ralf Selter (SPD), zugleich Sprecher des Päventionsrats im Stadteil, erwartet. Mehr kam am Ende kaum heraus. „Wir dürfen keine Versprechungen machen, die wir nicht einhalten können“, vertrat auch AfB-Beiratsmitglied Wilhelm Matyssek eine gewisse Zurückhaltung. „Es wird doch sicher weiter gespart.“

Die Ungeduldigen und Lauten unter den Jugendlichen müssen die aussichtslose Lage erkannt haben. Eine Gruppe von internationalen Jungen um die 15 Jahre trat, nachdem sie sich erst lange zum Gespräch hatte bitten lassen, wieder ab, sobald sie ihre Forderungen nach „mehr“an Räumen vorgetragen hatte. Die Aufforderung an sie selbst, auch Verantwortung zu übernehmen, etwa im pfleglichen Umgang mit schon bereitgestellten Räumen und Möglichkeiten, hörten sie nicht mehr. Dennoch hatten sie in Schulhausmeister Falko Bries einen starken Fürsprecher. „Man kann mit den Jungen wirklich reden“, appellierte er. „Die sind nicht schlecht.“Daß der Mittdreißiger dabei selbst zu einer Generation von Huchtingern gehört, die im Freizi mit den heute noch dort beschäftigten SozialpädagogInnen „alle wesentlichen Jugendfragen“besprechen, gab Hinweise auf mögliche Ursachen für die jugendlichen Beschwerden.

Insgesamt blieb das Ergebnis der zweistündigen Debatte vorerst bescheiden. Heute wird eine Gruppe von Jugendlichen in Begleitung von Hans-Günter Schwalm vom Amt für Soziale Dienste beim Freizi auf Einlaß dringen. Das Hausverbot, das die städtischen Sozialarbeiter vor drei Jahren gegen Teile ihrer Klientel aussprachen, soll aufgehoben werden. Warum es existiert, weiß sowieso niemand mehr – und daß die heute 15 bis 17jährigen Jugendlichen, die damit vom ohnehin minimalen Angebot der Einrichtung ausgeschlossen werden, noch persönlich der Anlaß waren, wird bezweifelt.

Deshalb werten Beobachter der Szene das Hausverbot vielmehr als Indikator für ernstzunehmende Mißstände im Stadtteil. Tatsächlich werde eine viel größere Zahl von Jugendlichen von öffentlichen Angeboten schon gar nicht mehr erreicht. „Viele, mit denen wir sprechen sollten, sind doch heute nicht hier. Was die brauchen, wissen wir“, gestanden die PolitikerInnen ein. Die Rede war dabei von den rechten Jugendlichen in Kirchhuchting, die für ihren vor Jahren abgebrannten Treffpunkt bis heute keinen Ersatz gefunden haben. Ebenso von „den Kleinen“, den 10- bis 14jährigen. „Was meint Ihr, was hier in fünf Jahren los ist, wenn die soweit sind wie wir jetzt“, warnte Erhan die Beiratsmitglieder, die in der Turnhalle zusammensaßen und nachdenklich nickten. „Dann haben die Kleinen immer nur draußen gestanden. Dann knallt's hier.“Der Beirat richtet jetzt einen „Feuerwehrfonds“ein. Der soll helfen, harmlose Ausflüge zu finanzieren. Auch eine Skate-Board-Anlage soll kommen. ede

*Namen der Jugendlichen geändert

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen