: „... daß man was auf die Beine stellen kann“
■ Aktiv oder abgenervt: Auszüge aus biographischen Interviews der Shell-Studie
[...] Was mir hier mißfällt, ist die Sozialpoliltik. Der Kommunismus war zwar zum Scheitern verurteilt, aber was es da an Sozialgeschichten gab, daß die Mütter alle arbeiten konnten und daß es Kindertagesstätten gab, das waren alles lauter gute Sachen. Sobald es hieß „BRD“, wurde einfach radikal alles abgeschafft.[...] Für sozialpolitische Fragen ist für mich maßgeblich, was in der Bibel steht, um für mich selber zu einem Standpunkt zu finden. [...]
Wirklich identifizieren kann ich mich mit keiner Partei. Am ehesten noch mit der SPD. Die ist zwar ein bißchen antireligiös drauf und hat Sachen in ihrem Parteiprogramm, die ich nicht teile, zum Beispiel Abtreibung, das will ich nicht pauschal be- oder verurteilen. Ich weiß, daß es für mich Mord ist. Weil jedes Leben von Gott geschenkt ist, und wenn dieses Leben da ist, dann solltest du die Konsequenzen tragen. Andererseits wüßte ich nicht, was ich machen würde, wenn es mir selber passiert.
Jana, 19, veranstaltete den ersten Techno-Gottesdienst in München
Klar passieren noch die größten Sauereien, wo du wirklich denkst, es scheinen wohl alle recht zu haben, daß Politiker einfach Schweine sind. Auch bei den Grünen, vor allem bei den Sozis und erst recht bei der CDU. [...] Es gibt unheimlich viele fitte Politiker, die aber im Prinzip ein Schattendasein führen, weil sie nicht so bedripst sind wie die Leute, die die Strippen halten. Westerwelle zum Beispiel. Der ist so abgelutscht, so ein Yuppie, fürchterlich. Die Jungen, die da nach oben kommen, sind aalglatt. [...] Ich glaube aber dran, daß man Jugendliche für kommunale Politik begeistern kann. Vor Ort was verändern. Da sind dann ein paar Kids, die wollen was machen. Gut, es gibt bei dem BUND einen Ballon, der sieht aus wie ein Atomkraftwerk, da nehmt ihr euch kleine Negerküsse, tut den Keks da drauf, und dann habt ihr ein kleines AKW und eßt das auf. Und dann macht ihr eure Anti-Atom- Aktion. Auch Brent Spar war nicht umsonst und Nigeria. Da engagieren sich nicht umsonst Schülerinnen und Schüler, vor allen Dingen gegen Shell, die sagen, so, liebe Leute, geht es nicht. Die eben dann bei Shell nicht tanken, sondern Shell boykottieren. [...]
Christian, 25, bei den Grünen in Nordrhein-Westfalen
Die ganzen Zustände. So vielen Deutschen geht es schlecht! Und da wird so viel Wind um die Ausländer gemacht! Es reicht ja, und da habe ich ja auch gar nichts dagegen, wenn die ein paar Spenden abdrücken oder so etwas. Aber daß die gleich so viele noch hier reinholen! Daß sie damit die Kultur und die Rasse zerstören, das kann ja wohl nicht wahr sein. [...] Wenn es allen Deutschen gutgehen würde, ja, dann könnten sie vielleicht mal darüber nachdenken, den anderen zu helfen, aber normalerweise müßte es erst mal um das deutsche Volk gehen. Das ist doch, weiß Gott, nicht zu verstehen, was die hier für eine Politik machen. Die Saubande und die Kanaken, das sind die, die das meiste Geld kriegen. [...]
Udo, 20, Zivildienstleistender und Bauchfacharbeiter aus Colditz
[...] Was bringt es, viel Angst vor der Zukunft zu haben? Entweder man kann was ändern oder nicht. Wenn ich nicht denken würde, daß sich was ändert, wäre es sinnlos, was zu machen. Ich habe für meine persönliche Zukunft keine Bedenken, denn ich sehe, daß man selber was auf die Beine stellen kann. [...] Ich bin seit etwa einem halben Jahr Vegetarier aus Dritte-Welt-Gründen. Auf der Konferenz für Welthungerhilfe in Rom ließ man durchklingen, daß das Vieh der Reichen das Brot der Armen ißt. [...] Man kann eben nicht mehr machen, als versuchen, was zu ändern. Es ist halt eine Frage der Mittel, die man einsetzt. Wenn man merkt, daß man nichts erreichen kann oder nicht ernst genommen wird, besteht eher die Möglichkeit, daß man zu radikaleren Mitteln tendiert. [...] Ich glaube, der Beweggrund der RAF für militante Aktionen war einfach die Resignation vor den demokratischen Mitteln oder der Dummheit des Volkes. [...]
Ingo, 17, Gymnasiast aus Kubach bei Weilburg
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