: Die Tele-Aktie
Kabelgipfel in Bonn: Die Telekom will ihr Kabelnetz gewinnbringend vermarkten und im profitablen Zukunftsmarkt des digitalen Pay-TV mitmischen ■ Von Lutz Meier
Die Telekom verhindere den Einstieg in die Medienzukunft, da sind sich alle einig: Leo Kirch, Bertelsmann, die Medienwächter, die Intendanten von ARD und ZDF, kleine und große TV-Sender und auch die privaten Fernsehkabelfirmen. Der Grund: Mit ihrem Kabelnetz, an dem direkt und indirekt fast 17 Millionen Haushalte hängen, beherrscht die Telekom den Flaschenhals der Medienzukunft, und hat anscheinend keine Lust, die Öffnung größer zu machen. Jedenfalls nicht, solange ihr nicht garantiert wird, daß sie damit richtig Geld verdienen darf.
Weil Telekom-Chef Ron Sommer von der Rolle des Buhmanns genug hat und mit dem Kabel bislang nur Verluste macht, hat er für heute Vertreter aller Parteien, die über seine Kabelbarriere stöhnen, nach Bonn eingeladen. Zuvor hatte er bereits angedeutet, daß die Telekom ihre Blockade aufgibt. Die nämlich hat zu einer absurden Situation geführt: Nur 31 Plätze gibt es bislang im Kabel, als Folge davon sind ständig Programme vom Rauswurf bedroht. Mal die Dritten der ARD, mal der ambitionierte Kindersender Nickelodeon. Und Innovationen wie der ARD-ZDF-Ereigniskanal Phoenix kommen gar nicht erst rein. Diesen Mangel verwalten bislang die Medienwächter, die festlegen, wer ins Kabel kommt – wobei Vielfaltsgesichtspunkte, programmatische Kriterien und Minderheiteninteressen eine Rolle spielen sollen. Aber genau diese Kriterien stehen dem kommerziellen Interesse der Telekom und anderer Kabelnetzeigner im Wege. „Es muß Schluß sein mit dem Sozialismus im Kabel“, fordert beispielsweise Bernd Jäger vom privaten Kabelnetzverband.
Die Telekom bietet nun zwei Kanäle zusätzlich an, die von den Landesmedienanstalten vergeben werden dürfen. Im Gegenzug will Ron Sommer alle weiteren Kapazitäten, die entstehen, frei vermarkten. Außerdem will die Telekom von den Sendern mehr Geld für die Einspeisung ins Kabel, die immer noch billiger ist als ein Platz auf dem Satelliten. Diese Preiserhöhung soll laut Sommer nicht nur private, sondern auch öffentlich- rechtliche Sender betreffen: „Wir stehen im Kabelgeschäft nicht so da, wie die Aktionäre das erwarten.“
Die erwarten wohl auch eine Beteiligung an der Wertschöpfung im digitalen Pay-TV – dem Fernsehmarkt der Zukunft. Aus der T- soll eine TV-Aktie werden und deshalb geht es beim heutigen Kabelgipfel auch um die Macht über Hunderte digitaler Programme, denn die Telekom will neben Kirch und Bertelsmann zum dritten großen „Player“ in der digitalen Medienwelt werden. Nicht als Veranstalter, sondern als Zwischenhändler und Lieferant der Programme: „Wir sind keine Anbieter, der mit seinen Kunden in Wettbewerb tritt“, so Telekom- Chef Ron Sommer. Sein Vorbild sind die Kabelnetzbetreiber in den USA, die für den bloßen Programmtransport und die Abrechnung oft mehr als die Hälfte der Einnahmen aus dem Bezahlfernsehen einbehalten – und so zu den mächtigsten Medienkonzernen des Kontinents heranwuchsen.
15 Kanäle, auf die insgesamt 150 digitale Programme passen, stehen schon jetzt bereit. Gerade mal einen davon will die Telekom für die öffentliche Belegung durch die Medienwächter freigeben, doch dieser eine Kanal würde nicht einmal für die Digitalangebote von ARD und ZDF reichen. Leo Kirch hat für sein Pay-TV DF1 bereits fünf Kanäle beantragt, ebenfalls fünf will Bertelsmann beziehungsweise Premiere besetzen. Womit die Zukunft bis auf 2 bis 3 Kanäle vorerst aufgeteilt wäre. Sollten sich Kirch, Bertelsmann und die Telekom einigen, könnte das Dreierbündnis als mächtige und recht hermetische Verbindung funktionieren.
Fehlt nur noch die Aufgabenverteilung: Die Telekom will die technische Plattform kontrollieren und auch die Aboverwaltung übernehmen. Die aber will Kirch auf keinen Fall aus der Hand geben. Die Kontrolle der technischen Plattform zähneknirschend schon, aber das auch nur, wenn die Telekom statt des von ihr präferierten Viacces-Standards (France Télécom) seine Irdeto-Technik nimmt, schließlich bliebe er sonst auf seinen 800.000 Digitaldecodern sitzen, und für die hat er sich mit einer knappen Milliarde Mark verschuldet.
Auch wenn Kritiker unken, die Politik hätte im Bezug auf die Fernsehzukunft nichts mehr zu melden, melden sich auch Medienwächter und Politiker zu Wort. Schleswig-Holsteins SPD-Staatskanzlei hat eine Trennung in frei vermarktete und landesrechtlich festgelegte Kanalbelegungen im Prinzip akzeptiert, will aber mehr Platz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. „Eine doppelt und dreifache Finanzierung der Telekom auf Kosten der Steuerzahler, Kabelgebührenzahler, Rundfunkgebührenzahler, Programmanbieterzahler und Pay-TV-Zahler“ dürfe es aber nicht geben, heißt es in Kiel.
Wer wieviel zahlen muß, entscheidet sich wohl in den Verhandlungen zwischen Telekom, Kirch und der Bertelsmann-Spitze. Drei, die sich sogar schon mal einig waren: Doch ihre „Media-Service- Gesellschaft“ wurde vor zwei Jahren vom Kartellamt gekippt. Jetzt fürchten Beobachter wie der Berliner Medienwächter Hans Hege, daß in den Verhandlungen das Kartell durch die Hintertür zurückkehrt.
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