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Das Finanzkapital mag Berlin

BankerInnen sagen voraus, daß sich die Stadt zum wichtigsten bundesdeutschen Bankenplatz nach Frankfurt/Main entwickelt. Schon 200 Institute  ■ Von Hannes Koch

Von der ökonomischen Provinz zur Finanzmetropole. Berlin werde sich bald zum „zweitwichtigsten Bankenplatz der Bundesrepublik nach Frankfurt/Main entwickeln“, sagte Gert Schemmann, der als Generalbevollmächtigter der Deutschen Genossenschaftsbank (DG Bank) gestern die Geschäfte seines Instituts in den östlichen Bundesländern erläuterte. Mit dieser Ansicht steht der Genossenschaftsbanker nicht allein: Auch die Frankfurter Vorstände der Deutschen und der Commerzbank teilen die Einschätzung.

„Mittelfristig wird das so kommen“, meinte Gisela Harwickhorst, Sprecherin der Commerzbank. Für Walter Schumacher von der Deutschen Bank steht die Spreestadt „schon jetzt“ auf Platz zwei – gemessen an der Zahl der niedergelassenen Institute. Während Frankfurt mit 400 Banken unangefochten an der Spitze liege, folge Berlin mit knapp 200 Geldhäusern. Die Bedeutung von München und Düsseldorf werde zugunsten Berlins abnehmen.

Als Ursache für die zunehmende Finanzkonzentration nennen die BankerInnen das Bestreben, die Geschäfte in den osteuropäischen Nachbarstaaten wie Polen, Tschechien und Rußland von Berlin aus zu betreiben. Der Umzug der Bundesregierung werde ab 2000 ein übriges tun: Wenn das Finanzministerium in die Hauptstadt komme, so Commerzbankerin Hawickhorst, sei es für die Geldinstitute notwendig, jeweils eine gut ausgestattete Niederlassung an der Spree zu betreiben.

Gegenwärtig allerdings herrscht bei den hiesigen Banken noch eher Katerstimmung. So verfärbe sich die Bilanz der Genossenschaftsbank für die östlichen Länder gerade „von Tiefrot in Zartrosa“, erklärte der Vorstand gestern. Die Verluste im Immobilien- und Kreditgeschäft nehmen ab, aber Gewinne lassen auf sich warten. Deshalb „spricht manches dafür, sich mit dem Gedanken der Fusion intensiv zu befassen“, so DG-Bank- Vorstand Heiko Bruns. Gemeint waren die notleidende Köpenicker und Grundkredit- sowie die Berliner Volksbank, die die DG Bank in Sachen Neustrukturierung berät. Ob es zu einer Verschmelzung oder nur zu einer engeren Kooperation kommt, ist aber noch nicht entschieden. Ein fusioniertes Institut könnte die von ostdeutschen Gläubigern verursachten Verluste besser verkraften und gleichzeitig eine starke Position in Richtung Osteuropa aufbauen.

Zu der optimistischen Einschätzung der Berliner Bankenzukunft hat die Politik des Senats beigetragen. Aus der mehrheitlich landeseigenen Bankgesellschaft und der Norddeutschen Landesbank (Hannover) entsteht bald das zweitgrößte Geldinstitut der Bundesrepublik. Neben der Verkehrsindustrie entwickelt sich damit ein weiterer Wirtschaftsbereich mit überregionaler Bedeutung.

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