piwik no script img

Die Frau, die alles falsch macht

Gleichstellungsbeauftragte sollen Frauen vor Diskriminierung schützen, werden oft aber selbst diskriminiert. Bei anderen Personen heißt das Mobbing  ■ Von Elke Plöger

Gleichstellungsbeauftragte sollen in Behörden, Betrieben und Gemeinden die Diskriminierung von Frauen abschaffen. Doch diese Aufgabe ist leider mit einer grotesken Nebenwirkung verbunden: Die Frauenvertreterinnen sehen sich selbst oft heftiger Diskriminierung ausgesetzt.

Eine aktive Gleichstellungsbeauftragte erlebt rasch, wie ihre kooperativen Angebote meist konsequent mißverstanden, fehlgedeutet oder übergangen werden. Das liegt in der Natur ihrer Aufgaben selbst begründet. Zu Beginn ihrer Tätigkeit geht sie noch unbefangen davon aus, daß die Mißverständnisse bei ihr liegen. Daß die Mehrzahl ihrer AnsprechpartnerInnen ihre Anliegen nicht verstehen oder als bedrohlich abwehren müssen. Später begreift sie mehr oder weniger schnell, daß auch ihre schlüssigsten Argumente zur Ausgrenzung von Frauen mit einem einzigen Gegenbeispiel vom Tisch gewischt oder schlicht nicht gehört werden. Ihre Zuversicht, daß ihr Engagement honoriert wird – schließlich handelt es sich um einen Verfassungsauftrag –, schwindet rasch angesichts des Widerstands der Besitzstandswahrer. Ihr wird automatisch Männerfeindlichkeit unterstellt; umgekehrt verliert sie den Glauben an die Gutwilligkeit ihrer Widerparte.

Je konsequenter sie ihre Aufgaben wahrnimmt, desto stärker werden die Konflikte. Und desto stärker wird auch ihre innere Verunsicherung: Frauen haben Streit zu schlichten und Harmonie herzustellen, wofür sie denn auch ein Mindestmaß an Anerkennung erwartet, so besagt das traditionelle Erziehungsprogramm für das weibliche Geschlecht.

Gleichstellungsbeauftragte zu sein heißt anscheinend: fast immer eine einzelne zu sein in männlich dominierten Runden; nicht ernst genommen zu werden; kaum Anerkennung zu erhalten für gute Konzeptionen, Strategien, Maßnahmen; ausgegrenzt zu werden aus den vereinbarten Informationswegen; weitaus schlechter bezahlt zu werden als andere mit vergleichbarer Aufgabenfülle und Selbständigkeit; strukturell behindert zu werden durch Verweigerung von Kooperation; permanent in Frage gestellt zu werden durch selektive Wahrnehmung. Solche Reaktionen von KollegInnen, Vorgesetzten, Öffentlichkeit und Institutionen werden bei anderen ArbeitnehmerInnen als Mobbing bezeichnet.

Eine Gleichstellungsbeauftragte muß ungeheuer frustresistent sein, wenn sie sich in der männlich geprägten Verwaltung für die Gleichberechtigung von Frauen engagieren will. Es spielt dabei zunächst keine Rolle, wie stark sie sich damit identifiziert. Nimmt sie eine solche Aufgabe an, kann sie von Stund an mit Ausgrenzung rechnen. Sie findet sich am Ende des Korridors wieder, weit weg von allen anderen Verwaltungseinheiten. Die Geschäftsordnung, so es eine gibt, ist außer Kraft, sofern sie sie für die Durchsetzung ihrer Ziele verwenden will. Sie betreffende Gesetze werden in Frage gestellt oder ignoriert, müssen ständig neu erläutert, ihre Umsetzung muß immer wieder eingefordert werden. Heute erkämpfte Positionen gelten morgen nicht mehr. Sie muß in allen Fachfragen sachkundig sein, um die Fraueninteressen vertreten zu können, und wird dennoch ständig als inkompetent eingeschätzt. Gelingt es ihr, sich durchzusetzen, so putzen sich meist andere mit ihrem Erfolg, reden von ihrem eigenen Einsatz für die Gleichberechtigung und beweisen damit die Überflüssigkeit der Gleichstellungsbeauftragten.

Ist diese moderat, wird sie von denen angegriffen und in Frage gestellt, die sie zu vertreten hat. Ist sie engagiert, befindet sie sich fast immer im Widerspruch zu den meisten und insbesondere zu den leitenden Männern, was zu entsprechenden Abstrafungen führt. Je effektiver sie arbeitet, desto weniger Anerkennung, desto mehr Ausgrenzung erfährt sie. Übertreibung, Überspanntheit, Überempfindlichkeit, Einseitigkeit sind die mindesten Fehler, die ihr zugeschrieben werden. Die ihrer Aufgabe eigene Polarisierung – sie hat die realen Benachteiligungen von Frauen zu benennen – wird ihr persönlich angelastet. Sie wird, wenn überhaupt, als letzte befördert und als erste übergangen. Kurz, der Job ist meist extrem karriereschädlich.

Da die Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten nur dem Rahmen nach definiert sind, muß sie sich selbst ihre Ziele aus der Überfülle der Probleme suchen. Sie hat damit jede Chance, die falschen zu wählen. Erst recht, weil sie auch die Wege zur Problemlösung selbst bestimmen muß.

Der in der Verfassung fest verankerte Auftrag zur Gleichstellung der Geschlechter müßte eigentlich dazu führen, daß sich die Leitenden (meist Männer) in den staatlichen Institutionen dieser Aufgabe verpflichtet fühlen. Da sie das bekanntlich selten tun, wurde dieser Verfassungsauftrag in Person der Gleichstellungsbeauftragten institutionalisiert. Kaum einer dieser Leitenden kann sich vorstellen, was in diesem Job eigentlich zu tun ist. Dieser Mangel an Vorstellungsvermögen kennzeichnet das Dilemma, dem sich eine Gleichstellungsbeauftragte ausgesetzt sieht. Da ihre Aufgabe überflüssig ist, wenn Frauen und Männer gleichberechtigt sind, ist die einfachste Strategie, zu behaupten, man betreibe ohnehin Geschlechterdemokratie auf gleichberechtigter Basis.

Höchst erfreulich ist es, daß dennoch immer wieder Frauen bereit sind, diese konfliktbeladene, aber auch spannende, vielseitige und kreative Aufgabe anzunehmen und sie mit viel Engagement auszufüllen. Der Widerstand, der ihnen entgegengesetzt wird, ist Gradmesser ihres Erfolges.

Auffällig ist: Überall dort, wo eine Behörde den Gleichberechtigungsauftrag ausdrücklich unterstützt, hat die Gleichstellungsbeauftragte gute Voraussetzungen, ihre Aufgabe mit Erfolg zu erfüllen. Daraus folgt: Die Karriere von leitenden Personen muß auch davon abhängig gemacht werden, wie sie die Gleichstellungsaufgabe erfüllen. Das wäre eine wirksame positive Sanktionierung, um das strukturelle Dilemma für die Gleichstellungsbeauftragte aus der Welt zu schaffen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen