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Vor dem Pedalritt steht der Mausklick

■ Radtour-Planung per CD-Rom: Für Tagesausflüge taugt die Scheibe nicht. Und auch Radfernfahrer brauchen die gute alte Landkarte

Wie plant man eine Radtour? Version 1 (für unabhängige Geister): gar nicht. Man fährt einfach so, daß man immer Rückenwind hat. Version 2 (für Pfadfindernaturen): Man kauft sich einen Kompaß und richtet sich danach. Version 3 (so machen's die meisten, dafür bleibt man immer wieder im Sand stecken, fährt durch BASF-Anlagen oder neben einer Schnellstraße her): Man malt Linien in eine Landkarte. Und hier ist sie, die Version 4: Man kauft sich für siebzig Mark die CD-ROM „Rad-Routing, Die schönsten Radfernwege und Radtouren in Deutschland, über 30.000 km getestete Strecken, über 300 Radfernwege und Radtouren, Millionen Kombinationsmöglichkeiten“. Boah!

Wer ein CD-ROM-Laufwerk hat (eine abgespeckte Version gibt es auch auf Diskette), wer über Windows 3.1 oder höher oder Windows 95 gebietet und einen 386er PC, mindestens 4 MB RAM und 5 MB Platz auf der Platte hat und wer zum Beispiel die CD-ROM von der Bahn bedienen kann oder die taz-CD-ROM, der findet ohne Weiteres ins Menue „Neue Strecke“. Tragen wir unter VON Bremen ein und unter NACH Hamburg. Und lassen uns überraschen.

Zack, da ist sie: unsere Hamburg-Tour. Fischerhude, Dipshorn, Freyensen, Klein Meckelsen, Sottorf, Ehestorf, Wilhelmsburg, Hamburg. 110 Kilometer. Auf dem sogenannten Nordheide Radfernweg. Hübsch! Neben dem Radfernweg-Kürzel steht ein I für Info. Klick, und schon erhalten wir eine Beschreibung des Radfernweges.“Meist asphaltierte Wirtschaftswege, seltener wassergebundene Decke. Kurze Sandstücke und Kopfsteinpflasterstrecken (Ortsdurchfahrten) Weitgehend autofrei. Flach, mit Ausnahme der Harburger Berge, allenfalls leicht hügelig. Für Fahrten mit Gepäck geeignet. Familienfreundlich.“

Das alles hätte man natürlich auch in einem guten Radwanderführer finden können. Doch CD-ROM bietet ja viel mehr! Zum Beispiel Näheres über Bremen. Was sehenswürdig ist: „Marktplatz, wo viele alte Bauten erhalten geblieben sind.“Das Focke-Museum. Teufelsmoor. Böttcherstraße. Nochmal Marktplatz mit Roland, Weinkeller und Mumien. Rathaus. Schnoor. Stadtmusikanten. Aha. Weitere Sehenswürdigkeiten Bremens : Bremerhaven. „Die berühmten Werften gehören zu den leistungsfähigsten der Welt.“Ach so.

Natürlich kann man sich beraten lassen, wo man übernachten kann. In Bremen sind vier Jugendherbergen angegeben, darunter Bremerhaven (Entfernung 0 – 2 km, na ja, das könnte abends zum Problem werden). Daneben noch ein Hinweis auf das Marriott (vom ADFC als fahrradfreundlich empfohlen). Nun ja.

Doch lassen wir uns einmal unser Ziel, Hamburg, vorstellen. Ein Bonbon der CD-ROM sind digitale Bilder, hergestellt von Kurverwaltungen oder einem verdienten ADFC-Mitglied. Hamburg: Abendstunde am Hafen! Blick auf die Binnenalster! Das könnte ein Stadtmarketingprospekt nicht besser. Appropos sehenswert: „Elbe. Besonders bekannt ist der Elbtunnel.“

Die CD-ROM orientiert sich hauptsächlich am Radfernwegnetz. Dadurch kommen ganze Landstriche (incl. bedeutender Kleinstädte wie Zeven, Bremervörde und Buxtehude) nicht vor. Von Bremen nach Stade geht es nicht etwa über Zeven durchs Alte Land, sondern zuerst nach Hamburg und dann elbab. Nach Cuxhaven muß man immer an der Weser lang und läßt sehr hübsche Geest- und Moorlandschaften rechts liegen (übrigens ist in CUX sehenswert: „Rapsfelder, Bildquelle Kurverwaltung“, was auf die Quellen der CD-ROM hinweist).

Nur in extremen Umwegfällen werden Abkürzungen angeboten, wie im Fall Bremen-Oldenburg. Die „offizelle“Route verliefe über Vechta (180 km!). Zur Beschaffenheit solcher Abkürzungstrecken wird zu recht auf eine anständige Radkarte verwiesen. Ein ganz verrückter Fall ist die Tour München-Rosenheim. Drückt man unvorsichtigerweise die Option „nur Radfernwege“, führt einen „Rad-Routing“über Passau, das heißt 382 km Strecke. Wählt man „alle Radtouren“, gibt es auch eine Weg von 69 km.

Der etwas verwöhntere Computer-Benutzer muß von dieser CD-ROM schwer enttäuscht sein. Softwaremäßig ist das Angebot extrem basic. Keine Links zum schnellen Rumsurfen im umfangreichen Datenmaterial, unsägliche Bilder, lieblos gestaltete „Landkarten“, in denen die Touren als fetter Strich eingezeichnet sind und als große Kleckse die Städte. Die paar eingetragenen Ortsnamen sind kaum leserlich. Ausdruck ist möglich, aber nutzlos. An einer Karte kommt man nicht vorbei, soll man auch nicht, denn die Bielefelder Verlagsanstalt lebt nicht von silbernen Scheiben, sondern von Karten und Reiseführern.

Resultat: „Rad-Touring“taugt nicht, wie behauptet, für Tagestouren. Der Fernfahrer wird dagegen mit Touren bedient, auf die er sich relativ risikolos einlassen kann, weil sie dem Radfernwegenetz angehören. Man erhält einen Ausdruck mit Etappenzielen und Kilometerangaben. Daneben sind auch die separaten Beschreibungen der jeweils benutzten Fernwege dienlich, ja machen manchmal sogar Appetit. Appetitverderber sind die Fotos, die Karten und die versammelten Sehenswürdigkeiten. Die Übernachtungsmöglichkeiten beschränken sich fast ausschließlich auf Jugendherbergen. Die Hotelauswahl ist absolut willkürlich bzw. zufällig. Derzeit liegt Radrouting 2.0 vor. Wahrscheinlich dauert es noch bis 5.0, bis das Ding seinen Preis wert ist. BuS

CD ROM Radrouting 2.0 Deutschland, BVA, Bielefeld 1997, DM 69,80 (CD-ROM) bzw. DM 49,80 (Disketten).

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