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Hamburg im Geldregen

Landesbank und HEW für rund 2,6 Milliarden Mark verkauft. Hamburgs Lebensunterhalt für 1997 und 1998 halbwegs gesichert  ■ Von Silke Mertins

Der Beratungsmarathon wollte kein Ende nehmen. Seit sieben Uhr gestern früh arbeitete sich Finanzsenator Ortwin Runde (SPD) durch die politischen Gremien. Sein Ziel: SPD, Statt Partei und Senat davon zu überzeugen, fast die Hälfte der Hamburgischen Landesbank nach Kiel statt innerhalb Hamburgs zu verkaufen. Fast acht Stunden waren nötig, denn niemand konnte so recht begreifen, warum der Favorit für die Haushalts-Rettungsaktion, die Hamburger Sparkasse (Haspa), eine Milliarde Mark weniger zahlen wollte als die Mitbieter.

Letztlich setzte Runde sich durch. 49,5 Prozent der Landesbank gehen rückwirkend zum Jahresbeginn für die Rekordsumme von 1,35 Milliarden Mark an die Schleswig-Holsteinische Landesbank. Gleichzeitig „parkt“der Senat 25,1 Prozent der Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) bei der Hamburgischen Landesbank. Vorteil: 1,27 Milliarden Mark fließen sofort, ohne daß wirklich verkauft wird.

Beide verscherbelten Sahnestücke zusammen lassen einen Geldregen von rund 2,6 Millarden Mark in die ausgetrocknete Stadtkasse prasseln. Damit ist der Lebensunterhalt für die Hansestadt, der sogenannte Betriebshaushalt, für 1997 und 1998 halbwegs gedeckt.

„Schließen Sie aus der Dauer der Verhandlungen nicht fälschlich, wir hätten uns gestritten“, wiegelte Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) ab. „Innerhalb des Senats war eine mehr am Standort als von Zahlen interessierte Gemütslage vorzufinden.“Man habe die „Hamburger Lösung“mit der Haspa „mit großer Freundlichkeit geprüft“, so Voscherau. Doch der „elbische Patriotismus“habe nicht gereicht. Die Differenz in Mark und Pfennig war zu groß. Denn „es ist nicht so, daß wir öffentliche Gelder zu verschenken hätten“, ergänzte Runde. Auch die Haspa müsse sich „dem Preisvergleich stellen“. Statt die anvisierten 100 Prozent der Landesbank zu bekommen, steht sie nun mit leeren Händen da. Denn die Option auf weitere Landesbank-Anteile erhielt ebenfalls Kiel.

Heftige Kritik für diese Entscheidung hagelte es aus der Handelskammer. Die Argumente der Wirtschaft für die Sicherung des Bankenstandorts Hamburg habe der Senat in den Wind geschlagen. „Eine Enttäuschung“nennt auch die CDU den Verkauf. Der Senat hätte „nicht den Mut“die Landesbank komplett zu verkaufen und „die Chance zur Schuldentilgung zu nutzen“. Die FDP hält den Deal gar für einen „Notverkauf zur Abwendung eines Offenbarungseides“, nörgelt ihr Spitzenkandidat Frank-Michael Wiegand.

Wie es mit den zwischengeparkten HEW-Anteilen weitergeht, ist indes unklar. Die Hannoveraner PreußenElectra und die schwedische Sydkraft, die bereits Anfang des Jahres 25,1 Prozent und ein Vorkaufsrecht auf weitere Anteile erwarben, sind in kartellrechtlichen Schwierigkeiten. Dem HEW-Vorstandschef Manfred Timm wäre ein anderer Käufer ohnehin lieber. Um den Einfluß auf die Unternehmenspolitik nicht zu verlieren, bevorzugt er „eine breitere Streuung“. Es könne nicht nur um „die Maximierung des Verkaufserlöses“gehen, so Timm zur taz. „Wir haben den Wunsch, daß auch andere Interessenten bieten können, wenn über die jetzt geparkten 25 Prozent endgültig befunden wird.“

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