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Neue AKW lohnen sich nicht

■ Mit der Liberalisierung des Strommarkts könnten Gaskraftwerke bald billiger werden als selbst abgeschriebene Atommeiler, prognostiziert Manfred Timm, Vorstand der HEW

Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) sind der kleinste unter den neun Verbundunternehmen, die sich den deutschen Strommarkt teilen. 80 Prozent des HEW- Stroms kommt aus AKW.

taz: Herr Timm, Sie erklärten kürzlich, die Gefahr für Ihre Kernkraftwerke gehe weniger von „linken Ideologen“ als von „rechtsliberalen Wettbewerbseuphorikern“ aus.

Manfred Timm: Beide Begriffe habe ich in Anführungszeichen gesetzt. Bisher hat man die Ausstiegsdiskussion politisch, fast ideologisch geführt. Mit der Liberalisierung des Strommarkts wird aber künftig allein die Wirtschaftlichkeit über die Existenz der Kernkraftwerke entscheiden. Unter den heutigen Rahmenbedingungen produzieren weitgehend abgeschriebene Kernkraftwerke den Strom noch am kostengünstigsten. Aber das kann sich schnell ändern.

Lohnt es sich nach der kommenden Marktöffnung überhaupt noch, AKWs zu bauen?

Unter den sich abzeichnenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lohnt sich der Bau neuer Kernkraftwerke künftig nicht mehr.

Die HEW-Satzung schreibt einen Atomausstieg vor, sowie dieser „wirtschaftlich vertretbar“ ist. Was bedeutet diese Formulierung?

Wir interpretieren das so, daß eine Alternative zur Stromerzeugung durch Kernkraft wirtschaftlich gleichwertig oder besser sein muß.

Wie hoch sind denn die Stromerzeugungskosten von AKW?

Zwischen 7 und 12 Pfennig, je nachdem wie weit die Anlagen abgeschrieben sind.

Als Alternativkonzept wurde auf der HEW-Hauptversammlung vergangene Woche der Neubau moderner Gas- und Dampfturbinenkraftwerke, sogenannter GuD- Anlagen, vorgeschlagen.

Ich bin froh, daß wir im Zusammenhang mit dem Ausstieg jetzt diese Diskussion haben, weil sie qualifiziert ist. In den Jahren zuvor hieß es von unseren Kritikern immer: Ihr müßt aussteigen und die Kernkraftwerke durch Solaranlagen und Wind ersetzen. Das ist absolute Utopie. GuD ist aber nichts Neues. Wir haben eine GuD-Anlage bei unserem Beteiligungsunternehmen in Dresden gebaut.

Dann steigen Sie also bald von selbst aus der Kernenergie aus?

Niedrige Gaspreise vorausgesetzt kann GuD eine echte wirtschaftliche Konkurrenz für die Kernkraft werden. In den USA sind bereits Kernkraftwerke stillgelegt und durch GuD-Anlagen ersetzt worden. Ob man sich angesichts zweier Energiekrisen in den siebziger Jahren, als die HEW 40 Prozent Stromerzeugung aus Gas hatte, wünschen sollte, wieder ins Gas reinzugehen, halte ich für zweifelhaft. Die Gaspreise sind an das Öl gebunden und hängen somit am Risiko eines militärischen Konflikts am Persischen Golf.

Aber die Liberalisierung könnte Sie dazu zwingen. Laut Berechnungen Ihres größten Konkurrenten in Deutschland, der RWE, kostet die Kilowattstunde Strom aus GuD-Anlagen rund 6,5 bis 7 Pfennig, ist also billiger als Strom aus einem abgeschriebenen AKW.

Bei einem Gaspreis von heute gut 2,3 Pfennig pro thermischer Kilowattstunde kostet der Strom aus einer GuD-Anlage nach unseren Rechnungen mehr. Wenn wir morgen eines unserer Kernkraftwerke durch eine Gasanlage ersetzen, erhöhen sich unsere Kosten jährlich um gut 40 Millionen Mark. Die GuD-Kraftwerke sind dann wirtschaftlich, wenn der Gaspreis auf etwa 1,5 Pfennig sinkt. Geben sie uns eine Preisgarantie von 1,5 Pfennig auf 15 Jahre, und wir legen unser Kernkraftwerk Brunsbüttel still und ersetzen es durch eine GuD-Anlage.

Bis wann könnten die Gaspreise soweit sinken, daß Sie Ihr Versprechen wahr machen müssen?

In England liegt der Gaspreis bereits bei einem Pfennig, aber die Briten haben eigene Gasquellen. Voraussetzung für uns wäre die europaweite Liberalisierung auch für Gas. Die wird vermutlich noch ein paar Jahre dauern.

Wenn Ihnen schwankende Erdgaspreise Sorgen bereiten, warum bauen Sie dann kein Importkohlekraftwerk. Laut RWE erzeugen die die Kilowattstunde Strom auch schon für 6,5 bis 7 Pfennig.

Da haben wir wesentlich höhere Zahlen, die über 10 Pfennig liegen.

Die Liberalisierung des Strommarkts gefährdet vor allem kleinere Versorger wie die HEW.

Wir haben gute Chancen, wenn wir in drei Richtungen gleichzeitig agieren: Zum ersten müssen wir in unserem Hamburger Versorgungsgebiet durch attraktive Preise so viele unserer bisherigen Stromkunden halten wie möglich. Zweitens müssen wir neue Märkte erschließen – was wir schon begonnen haben, wie etwa in Kolumbien, China, Polen, aber auch in den neuen Bundesländern. Zum dritten sind wir in anderen Geschäftsbereichen tätig geworden, wie großtechnische Müllentsorgung oder Telekommunikation. Interview: M. Carini, A. Fischer

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