: Millionenschaden beim Tunnelbau
Der Wassereinbruch in einer Röhre verzögert den Weiterbau des Tiergartentunnels um mehrere Wochen. Schaden geht in die Millionen. Weiterbautermin am Paradebauwerk unklar ■ Aus Berlin Severin Weiland
Bislang mußte sich Berlin eher mit virtuellen Löchern beschäftigen, etwa mit dem milliardengroßen Haushaltsloch. Seitdem aber Wasser in eine Tunnelröhre eines der ehrgeizigsten Bauprojekte geflossen ist, hat die Hauptstadt ein wirkliches „Loch“, wie die B.Z. gestern munter titelte.
Am Donnerstag waren, nachdem in einen der Tunnelkästen Wasser eingebrochen war, rund 200 Quadratmeter Erdreich neben der Baustelle am Schöneberger Ufer abgesackt. Nur durch Flutung konnte eine Verkantung des Betonkastens verhindert werden, behaupteten die Tunnelbauer.
Die Bauarbeiter hatten gestern zunächst nichts zu tun. Experten untersuchten in einer Tiefe von zwölf Metern, ob die Erde möglicherweise stärker als bislang angenommen aufgelockert ist. Der Bau des 3,7 Kilometer langen Tunnels, der unterhalb des Potsdamer Platzes und des künftigen Regierungsviertels gelegt wird, wird sich auf jeden Fall um acht Wochen verzögern, ließ gestern das zuständige Unternehmen verlauten.
Die neue Verkehrsader der Bahn werde im Jahr 2002 fertiggestellt und auch nicht den Bau des Regierungsviertels verschleppen. Eine Aussage, an der allerdings trefflich Zweifel angesagt sind, zumal vor geraumer Zeit noch die Jahrtausendwende als Termin für die Fertigstellung des Bahntunnels im Gespräch war.
Über die Kosten des Unglücks, das die Berliner Presse mal als „GAU“, dann wieder als relativ glimpflichen Unfall beschrieb, wurde gestern fleißig spekuliert: Ein Schaden in Millionenhöhe, soviel schien zumindest klar, müsse wohl einkalkuliert werden. Imposant immerhin, mit welcher Geduld die Natur sich am Bauwerk vergangen hatte: Das Wasser mußte einen fünf Meter dicken Dichtungsblock überwinden, bis es sich in die Röhre ergoß.
Relativ sicher scheint mittlerweile, daß ein Stein, der ein Leck von nur drei bis vier Zentimeter Durchmesser hinterlassen hatte, den Schaden verursacht hatte. Schon am Donnerstag begann die eifrige Suche nach den Schuldigen. Besonders schnell waren Gewerkschafter der IG Bau Agrar Umwelt, die seit einigen Wochen schon mit reichlich populistischem Getöse den Zorn der über 30.000 arbeitslosen Berliner Bauarbeiter zu kanalisieren versuchen: „Unqualifizierte ausländische Billigarbeiter“ hätten das Unglück verschuldet, so der Berliner IG-Bau- Vizechef Wilfried Eichhorn.
Eine Behauptung, die die Gewerkschaft trotz des klaren Dementis der Deutsche Bahn Projekt GmbH gestern schwungvoll erneuerte: „Qualifizierten Bauarbeitern wäre dieser Fehler nicht passiert“ – da konnte die Projektleitung noch so eifrig darauf verweisen, daß gerade die Tunnelröhre durch ausgewiesene Fachfirmen ins Erdreich gebohrt wird.
Während die Fachleute gestern in der prallen Sonne Ursachenforschung betrieben, und sich die Autofahrer wegen der gesperrten Straße am Schöneberger Ufer in einem Endlosstau durch die Innenstadt quälten, löste die Panne bei Umweltschützern heimliche Genugtuung aus. Hatten doch gerade sie jahrelang gegen das Prestigeobjekt gefochten, verbal und kurz vor Baubeginn gar mit einer Ankettaktion an Bäumen im Tiergarten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) verlangte gestern umgehend eine Überprüfung der gesamten Grundwasserverhältnisse, malte gar in apokalyptischen Worten eine „Tunnelkatastrophe“ aus, die die gesamten Bauvorhaben am Potsdamer Platz gefährdeten. Vor allem aber geht es den Ökos um den Tiergarten, dessen Austrocknung sie durch die Grundwasserentnahme am Potsdamer Platz befürchten. Das, obwohl Debis als Bauherr für die neue Daimler-Konzernzentrale Rückflußmaßnahmen durchführt.
Auf schnelle Ergebnisse muß gewartet werden. Erst kommende Woche soll eine Expertise darüber vorgelegt werden, wann weiter am Paradebauwerk der Hauptstadt gewerkelt wird.
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