„Schröder verrät die Tradition der SPD“

■ Krista Sager, Spitzenkandidatin der Hamburger Grünen, zu Fragen der Inneren Sicherheit

taz: Die Grünen haben das Thema Innere Sicherheit bisher gemieden. Nun beklagen auch Sie hierzu „Defizite“. Wird es bald heißen: „Law and order is a green issue?“

Krista Sager: Schulterzuckend haben wir das Thema nicht abgetan. Es gab viele Initiativen, etwa gegen Vergewaltigung in der Ehe und Mißbrauch von Kindern. Aber Innere Sicherheit war ein Spezialistenthema, das von der Gesamtpartei kaum wahrgenommen wurde. Das ändert sich nun, weil es nicht mehr nur um Rechte – und Gerhard Schröder – geht, die aus wahltaktischen Gründen die Sau durchs Dorf treiben.

Polen klauen mehr, findet Schröder. Und daß es Zuwächse bei der organisierten Kriminalität aus Osteuropa gibt, kann man nicht wegdiskutieren, sagen Sie. Mit welchen Konsequenzen?

Schröder muß sich fragen lassen, ob er nicht rassistisch motivierte Straftaten verstärkt. Bei organisierter Kriminalität ist klar, daß viele hier nichtseßhafte Ausländer mitmischen. Da helfen Aufklärung und Strafverfolgung. Grundsätzlich muß natürlich über die Ursachen von Straftaten nachgedacht werden. Nur so kann man sie verhindern, bevor sie geschehen.

Das wird längst getan, und dennoch hat sich die Zahl der Raubdelikte in Hamburg verdoppelt.

Aber Autodiebstähle und Einbrüche sind weniger geworden. Neben Wegfahrsperren hat dazu vor allem die Ausweitung des Methadonprogramms beigetragen. Daß dies trotz der Erfolge eingeschränkt wird, ist völlig absurd. Bei Jugendlichen ist außerdem wichtig, daß die Konsequenzen zeitlich dicht auf die Tat folgen.

Den Grünen wird vorgeworfen, für ausländische Straftäter, insbesondere Dealer, zuviel Verständnis aufzubringen.

Die offene Drogenszene am Hamburger Hauptbahnhof ist nicht mehr sozialverträglich. Da hilft Ausländerhetze aber nicht weiter. Man muß sich mit kühlem Kopf überlegen...

Dulden oder nicht dulden?

Wenn man die Szene stark reduzieren will wie in Frankfurt oder Zürich, muß man dafür auch die Voraussetzungen schaffen: Maßnahmen für obdachlose Junkies, Konsumräume, niedrigschwellige Substitutionsprogramme. Und in Zürich kommt noch die kontrollierte Abgabe von Heroin hinzu.

Dann würden Sie polizeiliche Repressionen mittragen?

Man braucht ein Gesamtkonzept. Drogenhilfe, Straßensozialarbeit und Polizei müssen dabei an einem Strang ziehen.

Mit Sozialarbeitern gegen Dealer vorgehen?

Nein. Wenn die Voraussetzungen geschaffen sind, um die Konsumenten von der Straße holen, kann man den polizeilichen Druck erhöhen, etwa durch Razzien gegen Dealer. Für mich ist das aber keine optimale Lösung, sondern man muß vor allem bei der kontrollierten Heroinabgabe weiterkommen.

Wie soll der Staat mit kriminellen Ausländern verfahren?

Für Ausländer gilt nichts anderes als für Inländer. Ich bin nicht dafür, daß ein Mitglied der Russenmafia straffrei ausgeht. Aber genau das passiert, wenn man sie vor Verbüßung ihrer Haft abschiebt, wie Voscherau und Schröder das wollen. Dann sind sie ein paar Tage später mit falschen Papieren wieder in Deutschland.

Abschieben oder nicht?

Abschiebung nach der Haft wird doch sowieso schon praktiziert. Das braucht man nicht erst lautstark zu fordern. Wollen Schröder oder Voscherau Straffreiheit für die Russenmafia fordern? Die Straffälligkeit unserer hier wohnhaften Jugendlichen ohne deutschen Paß ist etwas völlig anderes. Und das nehme ich der SPD übel. Aus einem Unterschichts- ein Ausländerproblem zu machen, verrät die eigene Tradition. Interview: Silke Mertins