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Freiwilligenarmee für Gott

■ Vor 100 Jahren wurde das erste Heilsarmee-Korps in Berlin gegründet. Die nun 170 "Soldaten" und "Offiziere" kämpfen auf der Straße und in Heimen gegen die Sünde

Sie haben sich Großes vorgenommen: die Rettung der Verkommenen, die Beseitigung von sozialem Elend und Sünde. Sie wissen, daß das Böse in der Welt nicht mit frommen Sprüchen zu bekämpfen ist. Einige Menschen stecken so tief im „Sumpf“, daß es für die Salutisten, „die Seligmacher“, ein „Kampf“ ist, sie da rauszuholen. Deshalb sehen sich die Mitglieder der Heilsarmee als ein „Heer“. Eine Armee von Freiwilligen, die (außer gegen die eigenen Versuchungen) für die Bekehrung anderer mit Musik und sozialem Engagement zu Felde zieht. Ein Kampf, der nur mit straffer Organisation, eiserner Disziplin, Mobilität und entschiedener christlicher Liebe zu Gott zu führen ist, wie William Booth meinte, der 1865 die Heilsarmee in England gründete.

Deshalb wimmelt es im Vokabular der christlichen Missionsgesellschaft nur so von militärischen Begriffen. An der Spitze der Heilsarmee steht ein General, ihm unterstehen der Stabschef, Territorialleiter, Divisionsoffiziere, Korpsoffiziere, Feldsekretäre und Heimbundsekretärinnen. Einfache Mitglieder sind „Soldaten“, hauptamtliche „Offiziere“, Gemeindestationen nennt man „Korps“. Stirbt ein Mitglied, wird es „in die Ewigkeit abberufen“. Die seit 1879 erscheinende offizielle Zeitschrift der Heilsarmee heißt Der Kriegsruf. Selbst der Regierende Bürgermeister wünschte der Heilsarmee in seinem Grußwort zum 100jährigen Jubiläum „einen siegreichen Verlauf ihrer Schlacht“.

In Berlin begann das Wirken der Religionsgemeinschaft, die das Evangelium von Jesus Christus predigt und sich den Kampf für eine Umgestaltung der Gesellschaft auf die „Blut und Feuer“-Fahne geschrieben hat, am 1. August 1897. Damals wurde ein Korps in Schöneberg eröffnet. Drei Monate nach der Eröffnung des Korps kam das erste Mädchenheim in Berlin dazu, elf Jahre nachdem die Heilsarmee in Deutschland ihre Arbeit begonnen hatte. Ein halbes Jahr nach der Korpseröffnung in Schöneberg bestand die Gemeinde aus 64 Heilssoldaten. 1950 wurde die Heilsarmee in Berlin als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Jetzt, einhundert Jahre nach der Gründung des Schöneberger Korps, liegt die Mitgliederzahl mit 60 in dieser Gemeinde bei fast der gleichen Zahl wie vor einhundert Jahren.

Das Kapitänsehepaar Wolfgang und Petra Korneffel, das seit zwei Jahren das Schöneberger Korps leitet und seit 1980 hauptamtlich für die Heilsarmee arbeitet, klagt, daß es immer schwieriger wird, Menschen zu „bekehren“. Sei es in den Anfangszeiten der Heilsarmee durchaus möglich gewesen, richtig harte Säufer auf den rechten Weg zu bringen, seien solche Erfolgserlebnisse heute „Einzelfälle“.

So konzentrieren sich die Mitglieder auf das Betreiben von sozialen Einrichtungen. In Berlin gibt es neben den vier Korps – in Schöneberg, Prenzlauer Berg, Friedenau und Wedding – ein Männer- und ein Altersheim, eine Kindertagesstätte, ein Altenpflege- und ein Kinderheim sowie Wärmestuben. Auch Strafgefangene und deren Familien werden betreut, bei sonntäglichen Gefängnisgottesdiensten und Bibelstunden gibt es die Botschaft Gottes und Nahrung für leere Mägen. Doch trotz Jüngerschaftskurs, Chor, Heimbund des Frauenkreises samt Singkreis und dem Kreis junger Erwachsener zählt die Heilsarmee in Berlin nur 170 Mitglieder.

Kapitän Wolfgang Korneffel will sich „nicht vom Zeitgeist knechten lassen“. Und auch wenn die Uniformen modischer und die Musik flotter wurden, gelten nach wie vor die 1878 erlassenen Regeln. „Ich will mich enthalten von alkoholischen Getränken, Tabak, von nicht ärztlich verschriebenen Drogen, dem Glücksspiel, der Pornographie, dem Okkultismus und allem, was meinen Körper, meine Seele oder meinen Geist abhängig machen könnte“, heißt es in den „Kriegsartikeln“, die die Heilssoldaten unterschreiben müssen.

Obwohl nach der Bibel alle Menschen gleich sind, gibt es bei der Heilsarmee, die ihre Botschaft auf die Bibel gründet, gewisse Unterschiede. So dürfen Hauptamtliche nur Hauptamtliche heiraten, bei Ehrenamtlichen dagegen ist es egal. Sex vor der Ehe ist für alle tabu. Läßt sich ein Hauptamtlicher scheiden, muß er den Dienst wegen seiner Vorbildfunktion quittieren. Nur unter bestimmten Umständen kann er wieder aufgenommen werden.

Ganz bibelkonform zeigt sich die Heilsarmee, die ohne Kirchensteuer auskommen muß, dagegen bei der Bezahlung der Hauptamtlichen. Weil die Spendenfreudigkeit in den letzten Jahren stark nachgelasen hat, wird deren Gehalt größtenteils mit dem „biblischen Zehnten“, dem Zehntel der Gehälter der Mitglieder, bezahlt. Barbara Bollwahn

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