■ Nordirland: London macht Zugeständnisse an die IRA
: Auf dem Weg zum Kompromiß

Alles war schon einmal da, und doch ist es diesmal anders. Als die IRA vor drei Jahren ihre Waffen vorübergehend niederlegte, schloß die britische Regierung ihre Soldaten in den Kasernen weg und verlegte eine Reihe von Gefangenen nach Nordirland. Als es darauf ankam, verloren die Tories die Nerven und gaben den Unionisten nach. Weil Tony Blair nun nicht auf die Unterhaus-Stimmen der Unionisten angewiesen ist, kann er sich diese Rücksicht sparen. Das könnte für die unionistische Kompromißbereitschaft ungemein förderlich sein.

Natürlich wird es nicht glattgehen. Niemand kann erwarten, daß beide Seiten am Ende der Verhandlungen im Mai 800 Jahre Geschichte begraben. Die Geschichte macht sich eben an Symbolen fest, an die man sich auch heute noch klammert – zum Beispiel die protestantischen Paraden anläßlich einer Schlacht, die vor 307 Jahren geschlagen wurde.

Das beste Verhandlungsergebnis ist ein Kompromiß, der die Diskriminierung von Katholiken beendet. Die Frage der Machtbeteiligung ist weitaus komplizierter. Jedesmal, wenn die katholische Bevölkerungsminderheit ein Mitspracherecht in nordirischen Angelegenheiten bekommen sollte, wurde der Plan von den Unionisten gewaltsam zu Fall gebracht.

Nordirland ist nicht Schottland oder Wales. Dort kann man mit Regionalparlamenten, über die im September per Referendum entschieden wird, zumindest die gemäßigten Kräfte zufriedenstellen. In Nordirland funktioniert das nicht: Das nordirische Parlament wurde Anfang der 70er aufgelöst, weil die Unionisten es für eine Mehrheitsdiktatur mißbraucht und Katholiken zu Bürgern zweiter Klasse degradiert hatten. Realistischer wäre es, bestimmte Entscheidungen auf ein Gremium zu übertragen, in dem auch Vertreter der britischen und irischen Regierungen sitzen. Zwar würden die Unionisten dagegen Sturm laufen, weil sie das als ausländische Einmischung in nordirische Politik ansehen. Und dann hängt es von Blair ab, ob er dem Säbelrasseln am Ende ebenso nachgibt wie seine Vorgänger.

Auch Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams hat alle Hände voll zu tun, die Hardliner in der IRA bei der Stange zu halten. Fest steht: Die Zeit der Maximalforderungen ist vorbei. Ein britischer Abzug aus Nordirland ist bei den Verhandlungen nicht im Angebot. Daß die IRA dennoch einen Waffenstillstand verkündet und Sinn Féin die Teilnahme an diesen Verhandlungen ermöglicht hat, zeigt, daß sich diese Erkenntnis auch bei ihr durchgesetzt hat. Ralf Sotscheck