: Bonner Parteien steuern gemeinsam ins Aus
■ Große Steuerreform steht vor dem Scheitern. CDU und SPD schieben sich gegenseitig die Schuld daran zu. CDU findet, die SPD handelt unverantwortlich
Bonn (AP) – Die von den Koalitionsparteien angestrebte große Steuerreform, die Bürger und Unternehmen um netto 30 Milliarden Mark entlasten sollte, steht vor dem Scheitern. Nach abermaligen Verhandlungen einer Arbeitsgruppe beider Seiten äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Hans-Peter Repnik, gestern in Bonn pessimistisch über die Erfolgsaussichten.
Das endgültige Aus für die Steuerreform wird aller Voraussicht nach heute im Vermittlungsausschuß vom Bundesrat besiegelt. Am 5. August wird der Bundestag auf einer Sondersitzung das Ergebnis der Ausschußberatungen debattieren. Offen ist, ob es zu einem zweiten Vermittlungsverfahren kommen wird. Repnik teilte vor Journalisten mit, nach einer scheinbaren Annäherung über Teilaspekte der Reform am Montag sei es doch wieder zu einer Verhärtung der Positionen gekommen.
So habe die SPD die Kompromißbereitschaft der Koalition hinsichtlich einer Senkung der Lohnnebenkosten nicht honoriert, sondern neue Hürden aufgebaut, indem sie die Verringerung des Rentenversicherungsbeitrages mit inhaltlichen Forderungen zur Rentenstrukturreform verknüpft habe.
Ferner lehnt die SPD nach den Worten Repniks weiterhin die von der Koalition geplante Nettoentlastung der Bürger ab. Auch das Angebot der Union, die Entlastung auf 15 Milliarden Mark zu halbieren, sei nicht honoriert worden. Schließlich seien die Sozialdemokraten weiterhin gegen die Absenkung des Spitzensteuersatzes. Auch eine Einigung auf die Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer sei wieder in Frage gestellt. „Die SPD hat ganz offensichtlich das Ziel, die Reform scheitern zu lassen“, sagte der CDU-Politiker und kritisierte deren mangelnde „staatspolitische Verantwortung“.
Bei der Finanzierung einer Senkung der Lohnnebenkosten sei innerhalb der Opposition ein Dissens deutlich geworden. Die Grünen hätten sich durchgesetzt mit ihrer Forderung nach Erhöhung der Mineralölsteuer. Dies reiche aber nicht aus, um die Lohnnebenkosten um einen Prozentpunkt zu senken.
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck, warf seinerseits der Koalition Blockadepolitik vor. Union und FDP seien nicht bereit, die Sozialversicherungsbeiträge um je einen Prozentpunkt abzusenken. Erneut bezeichnete er die von der Koalition beabsichtigte Nettoentlastung der Bürger als nicht bezahlbar. Bei der Gewerbekapitalsteuer sind die Chancen auf eine Verständigung nach den Worten Strucks zwar „nicht ganz so schlecht“, doch habe er den Eindruck, daß Bundesfinanzminister Theo Waigel hier eine neue Konfrontationslinie aufbauen wolle.
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