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Zwei Zacken zuviel

Ein Drucker wollte mit der Fälschung von 700.000 Briefmarken und drei Millionen Dollar dem Ruin entgehen. Lohn der Angst: Viereinhalb Jahre Haft  ■ Von Corinna Budras

Zwei Zähne einer Briefmarke wurden ihm zum Verhängnis: Der 49jährige Johann L., Inhaber einer kleinen Neuköllner Ladendruckerei, hatte auf den Clou seines Lebens gehofft. Doch wegen der Spitzfindigkeit eines passionierten Briefmarkensammlers aus Lübeck wurde nichts draus. Auf der Suche nach einem seltenen Fehldruck stolperte der Sammler über ein „Werk“ von L. und wurde gleich stutzig: Genau zwei Zähne zuviel hatte die 100-Pfennig-Briefmarke „Walfahrtskirche Altötting“ aus der Dauerserie „Sehenswürdigkeit“. Das konnte kein Zufall sein. Ebenso dachte auch die Lübecker Kriminalpolizei und hatte bald einen der raffiniertesten Fälle von Briefmarkenfälschung aufgedeckt, der gestern vor dem Landgericht verhandelt wurde.

Johann L. spielte dabei jedoch nur eine kleine Rolle. Der mit 50.000 Mark völlig überschuldete Drucker hatte über 700.000 Fälschungen der Marke gedruckt, weil sein Auftraggeber Bernd A. ihm das Ende seiner Geldsorgen versprochen hatte. Hauptprofiteur war der inzwischen zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilte Bernd A., der die Briefmarken an die Firma Mail Service verkaufte. Diese war eigens für den Vertrieb von frankierten Briefumschlägen gegründet worden, um Rechtsanwälte und Ärzte mit größeren Mengen von frankierten Umschlägen zu Rabattpreisen zu beliefern. Der Coup wurde unfreiwillig vom Land Brandenburg unterstützt: Der Betrieb stellte zur Frankierung der Umschläge Schwerbehinderte ein und sackte dadurch Subventionen ein. L. selbst jedoch sah keinen Pfennig von dem Gewinn.

Für diesen Fehltritt mußte sich Johann L. gestern vor dem Landgericht verantworten. Dabei half ihm die Tatsache, daß er lediglich die Briefmarken druckte, das Ausschneiden und Perforieren der Briefmarken jedoch A. übernahm. Deshalb konnte er nur wegen der Vorbeitung zur Fälschung von Wertzeichen schuldig gesprochen werden, nicht für die Fälschung selber. Das bringt ihn nun für vier Jahre und sechs Monate hinter Gitter. Im Strafmaß enthalten ist die Strafe für L.s zweiten großen Coup: Ebenfalls im Sommer 1995 druckte er 300.000 falsche 100-Dollar-Noten. Die Greenbacks allerdings waren von so schlechter Qualität, daß sie mühelos als Fälschungen entlarvt wurden. Auch dieses Millionengeschäft löste seine Probleme nicht.

Doch L.s Schwierigkeiten mit den Schulden wurden inzwischen auf legalem Wege gelöst. Nachdem sich eine Steuerberaterin seiner Buchhaltung angenommen hatte, trat 1996 endlich die gewünschte wirtschaftliche Erholung ein – ganz ohne Fälschungen.

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