: Biljana Plavšić geht jetzt aufs Ganze
Die Präsidentin der Serbischen Republik erkennt das Urteil des Verfassungsgerichts nicht an. Zwei Richter sollen bedroht worden sein. SFOR: Wir haben alles unter Kontrolle ■ Aus Sarajevo Rüdiger Rossig
Die Präsidentin der Serbischen Republik in Bosnien, Biljana Plavšić, läßt es drauf ankommen. Gestern erklärte sie in Banja Luka eine Entscheidung des Verfassungsgerichts, das in der Vorwoche die von ihr verfügte Auflösung des Parlaments und vorgezogene Neuwahlen für ungültig und verfassungswidrig befunden hatte, für „illegal und nicht bindend“. „Wir werden unseren Weg zu vorgezogenen Neuwahlen am 12. Oktober fortsetzen“, sagte Plavšić.
Gleichzeitig ergab die erste Auswertung einer Durchsuchung des Polizeihauptquartiers in Banja Luka, daß mindestens zwei Verfassungsrichter vor oder während der Sitzung in Pale eingeschüchtert worden waren. Bereits am Sonntag hatten 50 Mitglieder einer Sondereinheit der bosnisch-serbischen Polizei eine Wache in Banja Luka besetzt und ihre dort stationierten Kollegen entwaffnet. Nach Angaben der Spezialpolizisten, die loyal zu Plavšić stehen, wurde das Gebäude zuvor von einer anderen Sondereinheit, die hinter den nationalistischen Ultras um Exserbenführer Radovan Karadžić steht, zum Abhören von Telefonaten der Präsidentin und anderen „destabilisierenden Aktivitäten“ genutzt.
Die Auseinandersetzung zwischen Biljana Plavšić, die besonders im westlichen Ausland als willig gilt, den Friedensvertrag von Dayton durchzusetzen, und den Anhängern des international von UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag gesuchten Radovan Karadžić hatte vor sechs Wochen begonnen. Damals löste Plavšić das Parlament der Serbischen Republik auf und entließ den Innenminister – Karadžić-Anhänger Dragan Kijać. Beide Entscheidungen wurden von der Regierung der Serbischen Republik als illegal abgetan. Seitdem vergeht kein Tag ohne zumindest verbale Konfrontation zwischen den beiden verfeindeten Parteien.
Der Konflikt zeigt, daß der Machtkampf in der Serbischen Republik eskaliert und ohne aktives Eingreifen der internationalen Gemeinschaft nicht mehr zu schlichten ist. So waren es britische Soldaten der SFOR, die in der Nacht zu gestern die besetzte Polizeiwache übernahmen und absicherten. Zuvor hatte SFOR eine Anfrage des Karadžić-treuen Innenministeriums zur Rückübernahme der Wache abgelehnt.
Gestern morgen wurden die Plavšić-treuen Polizisten unter SFOR-Schutz aus der besetzten Polizeiwache in Banja Luka geleitet. Beobachter der Internationalen Polizei der Vereinten Nationen begannen mit einer Untersuchung der Vorgänge. Das Mandat der internationalen Polizei-Monitore deckt derartige Untersuchungen ab, da es sich bei den Anschuldigungen – nicht genehmigtes Abhören von Telefonen – um eine Menschenrechtsverletzung handelt.
Seitdem bemühen sich die Verantwortlichen in Sarajevo und Banja Luka, die Lage als ruhig darzustellen. Tatsächlich aber sind SFOR, aber auch die zivilen internationalen Organisationen nach dem Zwischenfall in einer prekären Situation. Immerhin hatte die Nato-Friedenstruppe erst vor einer Woche angekündigt, alle Spezialeinheiten der Polizei im Lande stünden von nun an unter ihrer Überwachung und dürften keine Aktionen ohne ausdrückliche SFOR-Erlaubnis ausführen.
Daß es nun gerade die Polizei von Präsidentin Plavsić ist, die als erste gegen diesen Beschluß verstößt, macht die Sache kompliziert. Denn nun müßte die internationale Gemeinschaft eigentlich gegen ihre Wunschverbündete vorgehen. Karadžić aber darf sich freuen. Statt verhaftet zu werden, hat er gar einen kleinen Sieg im Kampf um die Macht errungen.
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