: Stellungskrieg in Schöneberg
■ Streit um Besetzung der Stelle eines Bezirksamtsdirektors: Grüne Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer befolgt BVV-Beschluß – und wird nun von den Bezirksamtskollegen von SPD und CDU ausgetrickst
In Schöneberg kündigt sich nach dem Reinfall um eine Straße für Marlene Dietrich die nächste Provinzposse an. Diesmal geht es nicht um die verstorbene Diva, sondern um den trockenen Job des Bezirksamtsdirektors, seines Zeichens der Chef vieler Hundert Beamter im Bezirk. Die Stelle sollte neu besetzt werden, beschloß im Januar die Schöneberger Bezirksverordnetenversammlung.
Diesem Beschluß folgte die Bürgermeisterin Elisabeth Ziemer (Bündnis90/Die Grünen). Mit Zustimmung der Bezirksverordneten traf sie die Personalauswahl und entschied für eine Frau.
Doch seit vorgestern gilt das alles nicht mehr. Am Mittwochabend beschlossen die Bezirksverordneten mit den Stimmen von SPD und CDU, die wichtige Funktion nicht wieder zu besetzen.
Nun hat die grüne Bezirksbürgermeisterin ein Problem. Außer der BVV haben gestern auch Ziemers Stadtratskollegen ihre Meinung geändert. Sowohl Baustadtrat Gerhard Lawrentz (CDU) als auch Umweltstadtrat Otto Edel (SPD) sagten zur taz, sie wollten den BVV-Beschluß auf jeden Fall umsetzen. Nun wünschen sich CDU und SPD plötzlich, daß die Stelle des Bezirksamtsdirektors wegfällt — und stattdessen die des Haushaltsamtsleiters doch beibehalten wird.
CDU (zwei Stadräte) und SPD (ein Stadrat) haben im Bezirksamt die Mehrheit gegenüber den Grünen (Ziemer und eine Stadrätin).
Elisabeth Ziemer wirft den Kommunalparlamentariern vor, „Beschlüsse von verantwortungsloser Beliebigkeit“ zu fällen.
Elisabeth Ziemer vermutet hinter dem Sinneswandel der BVV den Versuch, „politische Rangeleien“ zu veranstalten. In der Tat wird die Autorität der Bezirksbürgermeisterin massiv untergraben: Sie soll ihr Rathaus nicht mehr selbst organisieren dürfen. SPD und CDU weisen indes zurück, eine gezielte Aktion gegen die Bürgermeisterin gestartet zu haben.
Gerhard Lawrentz (CDU) sagte, er habe von Rücktrittsforderungen gegen Ziemer „nichts gehört“. Und sein SPD-Kollege Edel läßt Ziemers Abwehrversuch einer „Beanstandung“ genüßlich ins Leere laufen. „Das wird mit mir nicht gehen.“
Hintergrund des Politgerangels ist der Schöneberger Weg der Verwaltungsreform. Bürgermeisterin Ziemer erhielt Anfang des Jahres die Zustimmung aller Fraktionen für die neue Struktur der Bezirksverwaltung. Darin ist vorgesehen, anstelle des Bezirksamtsdirektors (der vor kurzem in eine Senatsverwaltung wechselte) künftig eine eher kaufmännisch orientierte Steuerfrau zu haben.
Als Bürgermeisterin Ziemer dafür die hochdotierte Stelle des Haushaltsamtsleiters wegfallen lassen wollte, pflichtete ihr die CDU bei. Andere Bezirke wie der künftige Partnerbezirk Tempelhof machen dies ähnlich. Sie lassen ebenfalls die Position des Haushaltsamtsleiter wegfallen — seinen Job macht der Bezirksamtsdirektor mit. Christian Füller
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