: Vorstoß der SPD zum Ausländerrecht
■ Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau will mit seiner Bundesratsinitiative die Pläne Edmund Stoibers (CSU) durchkreuzen. Dieser plant, Gerhard (law and order) Schröder im Bundesrat vorzuführen
Berlin (taz) – Eine „grundsätzlich unverzügliche“ Ausweisung ausländischer Straftäter, wie sie Bayern fordert, will der Hamburger Senat mit seiner Bundesratsinitiative zwar nicht. Doch dafür wartet Henning Voscherau (SPD) mit einem Vorschlag auf, der nicht weniger problematisch ist. Der Antrag, der heute in den Bundesrat eingebracht wird, will die Strafprozeßordnung dahingehend verändern, daß künftig Nebenentscheidungen zur Aufenthaltsberechtigung ausländischer Straftäter getroffen werden können: Die Entscheidung über die Ausweisung eines Straftäters soll künftig in den Händen des Richters liegen.
Bislang wird über Strafmaß und mögliche Auswirkungen auf den Aufenthaltsstatus getrennt entschieden. Über eine Ausweisung entscheidet die Ausländerbehörde nach dem Urteil. Die rechtspolitische Expertin der Berliner Bündnisgrünen, Renate Künast, kritisierte den Vorschlag gestern: „Das stellt das Ausländerrecht auf den Kopf.“ Wenn die Entscheidung der Strafrichter treffe, werde der ausländische Täter nur noch als Strafttäter und nicht mehr als steuerzahlender Mitbürger wahrgenommen, der möglicherweise schon seit Jahren in der Bundesrepublik lebe. Zudem seien die Strafrichter mit dieser neuen Aufgabe „überfordert“, da sie mit dem Ausländerrecht nicht vertraut seien.
Als Hindernis für die Abschiebung von ausländischen Straftätern macht der Hamburger Antrag vor allem die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer aus. Hamburg fordert die Bundesregierung auf, Druck auf die nicht namentlich genannten „Problemstaaten“ auszuüben.
Der Hamburger Antrag schlägt außerdem vor, minderjährige Flüchtlinge künftig nach einer Quotenregelung auf die Bundesländer zu verteilen. Hamburg beklagt seit längerem, daß die Hansestadt fast die Hälfte der minderjährigen Flüchtlinge aufgenommen hat. Außerdem will Hamburg erreichen, daß Jugendliche nur noch im Ausnahmefall nach dem Jugendstrafrecht verurteilt werden. Bayerns Versuch, die SPD nach den vollmundigen Äußerungen des niedersächsischen Ministerpräsidenten zur Kriminalitätsbekämpfung vorzuführen und Gerhard Schröder zu einem Bekenntnis im Bundesrat zu zwingen, geht damit nicht ganz auf. Der von der SPD-Spitze beauftragte Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau hilft mit seinem Vorschlag, Schröders Gesicht einigermaßen zu wahren. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hat Schröders Vorschlag, ausländische Straftäter unverzüglich abzuschieben, jetzt zum Kern seiner Bundesratsinitiative gemacht, die ebenfalls heute zur Debatte steht. Wie es gestern in einer Erklärung der Bayerischen Staatskanzlei hieß, habe Bayern damit die SPD und Schröder „beim Wort genommen“ und Forderungen eingebracht, die bisher von den SPD-regierten Ländern stets abgelehnt worden seien.
Stoibers taktisches Spiel besteht darin, den Hamburger Antrag heute verbal zu unterstützen, den eigenen Antrag aber zugleich aufrechtzuerhalten. Bayern hat entgegen der üblichen Verfahrensweise beantragt, über seine Initiative sofort abzustimmen, doch ist damit zu rechnen, daß beide Anträge nach einer Debatte an die Ausschüsse des Bundesrates überwiesen werden. Dorothee Winden
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