Mord im Rathaus

Teil 4 des Enthüllungsromans: Vroscherau und Steger brechen in der Firma der Toten ein  ■ Von Silke Mertins

Was bisher geschah: Die nackte Frauenleiche im Bürgermeisteramtszimmer wird in geheimer SPD-Mission ins CDU-Büro verbracht. Vroscherau (*) findet einen Zettel mit der Aufschrift: „Herzliches Beileid aus der Hafen-City.“Im Kalender der Toten, Buchhalterin des Hochtiefbau-Unternehmens Graber & Söhne, sind Termine mit Vroscherau und der grünen Spitzenkandidatin Christa Steger vermerkt.

Ehe man sich versah, hatte der Erste Bürgermeister Henning Vroscherau den Genossen Walter Zett am Hemdkragen gepackt und schickte sich an, ihm eins auf die Nase zu geben. „Null Toleranz gegen Gewalt!“brüllte Innensenator Hartmut Schocklage. Drei SozialdemokratInnen hielten Vroscherau fest. Seine Krawatte war aus der Hose gerutscht. Die Augen wurden ganz schmal. „Erstens: Wie kann man nur so retardiert sein und sich bei der Polizei verplappern? Zweitens: Wie sollen wir da jemals wieder rauskommen? Drittens: Ich rate dir, mir nie wieder in die Quere zu kommen.“Aus dem Hintergrund tönte es: „Höchstens als Leiche.“

Nun war die Stunde von Stadt-entwicklungssenator Thomas Hirow – von allen nur liebevoll Thomas, der Retter genannt – gekommen. Der befühlte gerade, ob sein Seitenscheitel noch saß, und sagte: „Es hilft nichts, wir müssen herausfinden, wer der Mörder ist.“Und weil Vroscherau und Christa Steger nun mal im Kalender der durch Erwürgen Dahingeschiedenen vermerkt waren, „solltet ihr euch in dieser Firma umsehen“.

Vroscheraus Nasenflügel bebten gefährlich. „Ich soll einbrechen?“„Ich will mal so sagen: Du sollst dir unbefugten Zutritt verschaffen“, erläuterte Hirow. „Steger wartet schon draußen.“Außerdem würde er, Hirow, mitkommen. Steger saß im Vorzimmer der Parteizentrale und legte Tarotkarten. Das Grün ihrer Jacke, die sie neuerdings immer trug, tat Vroscherau in den Augen weh. In grimmigem Schweigen vereint, machte man sich auf den Weg. Hirow hatte bereits den Einsatzort ausgekundschaftet, Werkzeug und Taschenlampe eingesteckt. Jetzt hieß es ranpirschen.

Vroscherau und Hirow robbten mit erstaunlicher Behendigkeit durch die Gänge der aufgestapelten Container. Steger, deutlich langsamer, hinterdrein. Sie war sichtlich mißgestimmt, mit der guten Jacke durch den Dreck kriechen zu müssen. Also konzentrierte sie sich auf die Vorstellung, auf den Titelblättern aller Zeitungen vierspaltig quer zu erscheinen. „Christa Steger klärt Mord auf“, zum Beispiel. Oder: „Christa, Prinzessin des Wahlvolkes“und „Königin der toten Herzen“. Hoffentlich war beizeiten ein Paparazzo zur Stelle.

„Wir sind da“, flüsterte Thomas, der Retter. „Wir versuchen es hinten.“Tatsächlich war die Hintertür nur mit einem einfachen Schloß bestückt und leicht zu knacken. Schwups, waren sie drin und leuchteten mit der Taschenlampe im Büro herum. In atemloser Eile rissen sie die Aktenschränke auf und suchten nach einem verheißungsvollen Stichwort.

„Ist da jemand?“Steger, Vroscherau und Hirow klammerten sich zu Tode erschrocken aneinander und kauerten sich in eine Ecke. Dann war es still. Viel, viel später huschten sie ins Damenklo – der Raum hatte kein Fenster –, um im Schein der Taschenlampe die Ausbeute zu betrachten. „Da scheint mit den Kaimauern etwas nicht zu stimmen“, flüsterte Steger. „Seht her, die Zahlen stimmen nicht überein.“Richtig, da schien kreative Buchführung am Werke gewesen zu sein. „Laßt uns gehen“, hauchte Vroscherau. „Wir nehmen alles mit.“

Sie tappten im Dunkeln zur Hintertür, als Vroscherau über Stegers Beine stolperte und beide zu Boden stürzten. Der Waffenstillstand war beendet. „Trampelige Kuh.“Das war Vroscheraus Stimme. „Wurmfortsatz eines Stinktiers.“Das war Christa Steger. Unvermittelt ging das Licht an. Vor ihnen stand Senatssprecher Franz Groß.

Fortsetzung am Dienstag

(*) Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind natürlich rein zufällig und vollkommen unbeabsichtigt.