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Ja zum Parlament der Schottenröcke

■ Schottland stimmt für eigene Volksvertretung und eigene Steuern. Großbritannien wird damit ein bißchen föderal

Edinburgh (taz) – Schottland hat „mit einem Knall für ein eigenes Parlament gestimmt“, sagte Alex Salmond, der Vorsitzende der Schottischen Nationalen Partei (SNP). 74 Prozent der Wähler stimmten bei dem Referendum am Donnerstag für das Regionalparlament, immerhin noch 63 Prozent wollen diesem Parlament das Recht zugestehen, die Einkommensteuer um drei Prozent zu variieren. Die Wahlbeteiligung, die der proparlamentarischen Koalition aus SNP, Labour und den Liberalen Demokraten bis zuletzt Sorgen gemacht hatte, lag bei 60 Prozent. Damit war man zufrieden.

Der britische Premierminister Tony Blair reiste gestern nach Schottland, um seinen Erfolg auszukosten. Er sei „absolut entzückt über das Ergebnis“, sagte Blair und lobte die Schotten für „ihren Mut und die Zuversicht, sich selbst zu vertrauen“. Er fügte hinzu, der Ausgang des Referendums signalisiere das „Ende der Ära der Zentralregierung“. Nächsten Donnerstag entscheiden die Waliser über eine eigene Versammlung, die allerdings weniger Befugnisse als das schottische Parlament haben soll. Später will Blair auch den englischen Regionen mehr Macht übertragen.

Schottland-Minister Donald Dewar sprach von einem „großartigen Tag für Schottland“. Ihm war die Erleichterung deutlich anzumerken, wurde das Referendum doch von Korruptionsskandalen und internen Diffamierungen der Labour-Bezirksorganisation in Renfrewshire überschattet. Dort lag die Zustimmung zu beiden Punkten aber sogar über dem Durchschnitt. Knapp war es auf der Insel Orkney: Nur 57 Prozent wollten ein schottisches Parlament, eine Mehrheit stimmte gegen die Besteuerungsvollmacht.

Alex Salmond glaubt, daß Schottland nun auf dem Weg in die Unabhängigkeit ist: „Ich bin fest davon überzeugt, daß es passieren wird.“ Vorerst werden Außen- und Verteidigungspolitik, Währungs- und Sozialangelegenheiten jedoch weiterhin in London entschieden.

Liberalen-Chef Paddy Ashdown sagte, das Wahlergebnis sei „der Höhepunkt einer hundertjährigen Kampagne“ seiner Partei. Tory-Führer William Hague sagte, es sei eine „traurige Entscheidung für die Zukunft Schottlands und des Vereinigten Königreichs“. Von einer Vorentscheidung für das walisische Referendum will er jedoch nichts wissen: „Wir werden für ein Nein in Wales kämpfen.“ Ein Sprecher der Kampagne für eine walisische Versammlung meint, daß das schottische Ergebnis bis zu 15 Prozent mehr Jastimmen in Wales bringen werde.

Das Gesetz für das schottische Parlament soll noch in diesem Jahr dem Unterhaus vorgelegt werden, was angesichts der Mehrheitsverhältnisse lediglich eine Formsache ist. Im Frühjahr 1999 wählen die Schotten dann erstmals seit fast 300 Jahren ihre Abgeordneten, rund zwei Fünftel der 129 Parlamentarier werden durch proportionale Repräsentation ermittelt. Ralf Sotscheck

Kommentar Seite 10

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