: Perschau folgt Nölle als Finanzsenator
■ Parteiübergreifendes Bedauern über Rücktritt des CDU-Spitzenmanns / Opposition fordert Neuwahlen / Wer Perschaus Wirtschaftsressort übernimmt, soll bis Freitag entschieden werden
Hartmut Perschau wird nach dem überraschenden Rücktritt Ulrich Nölles dessen Ämter als Finanzsenator und stellvertretender Bremer Regierungsschef übernehmen. (siehe S.4 und Text unten) Sowohl der Landesvorstand als auch die CDU-Fraktion haben sich einstimmig für den bisherigen Wirtschaftssenator entschieden, sagte der CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann. Bürgermeister Henning Scherf (SPD) begrüßte die Personalentscheidung des Koalitionspartners.
Mit seinen vielfältigen Beziehungen über Bremen hinaus sei Perschau der geeignete Mann, die anstehenden Verhandlungen mit dem Bund über Bremens Sanierung zu führen. Wer Perschau als Wirtschaftssenator nachfolgt, will die CDU-Spitze am Freitag ihrem Landesvorstand bekanntgeben.
Perschau sagte, aus seinen früheren Ämtern unter anderem als Bremer Wirtschaftssenator und Vorsitzender der Hamburger CDU-Fraktion bringe er genügend Erfahrung in der Finanzpolitik mit, um sich schnell einzuarbeiten.
Mit Nölles Rücktritt gehe eine „siebenjährige Erfolgsstory“zu Ende, sagte ein sichtlich mitgenommener Bernd Neumann am Nachmittag vor der Presse. Der Ex-Banker hätte mit seinem Charme und seinen für die Menschen sehr sympathischen Eigenschaften als Seiteneinsteiger seit 1991 eine sehr erfolgreiche Episode in der Geschichte der Bremer CDU geprägt. Nölle werde sein Bürgerschaftsmandat behalten und auch stellvertretender CDU-Landesvorsitzender bleiben. Die SPD bedauerte den Rücktritt Nölles. Als Finanzsenator habe Nölle als „ausgleichende und verbindende Kraft“in der Koalition gewirkt, sagte SPD-Fraktionschef Christian Weber.
Die Opposition von Grünen und AfB verlangte dagegen Neuwahlen. Wenn der „fachkompetente Sympathieträger“Nölle bereits nach zwei Jahren ausgerechnet vor den Nachverhandlungen zum Bremer Sanierungsprogramm entnervt das Handtuch werfe, sei die CDU insgesamt gescheitert, erklärte der grüne Landesvorstand. Mit Nölle seien Hoffnungen auf ein Ende der Bremer Filzokratie verbunden gewesen. Die Wähler müßten nun entscheiden, ob sie der verbliebenen Regierungsmannschaft noch vertrauten. Auch die AfB hält Neuwahlen für den saubersten Weg.
Die Suche nach einem vierten Senator nach Perschau (Finanzen), Ralf Borttscheller (Inneres) und Bernt Schulte (Bau) dürfte für die Bremer CDU nicht einfach werden. Denn aus der Bürgerschaftsfraktion drängt sich nicht unbedingt ein Kandidat für das Wirtschaftsressort auf. Und ob nach den Seiteneinsteiger-Erfahrungen Nölles noch einmal ein Bremer Unternehmer für die CDU in den Polit-Dschungel eindringen will, darf bezweifelt werden. Dem Vernehmen nach holte sich die CDU-Spitze gestern bereits einen Korb von dem Unternehmer Wolfgang Schroers, der als Finanzsenator im Gespräch war. Der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion will seine Firma mit 70 Mitarbeitern nicht im Tausch für eine unsichere politische Karriere im Stich lassen. So ist durchaus denkbar, daß ein neuer Chef im Wirtschaftsressort von außerhalb Bremens importiert wird. jof
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