: Nachforderung für US-Tabakfirmen
■ Clinton sattelt drauf: Zusätzlich zur Entschädigung von 368 Milliarden Dollar sollen Firmen auf junge Raucher verzichten
Berlin (taz) – Der Ablaßhandel wird teurer als erwartet. Die US- Tabakindustrie soll in den kommenden 25 Jahren nicht nur eine Entschädigung von 368,5 Milliarden Dollar an amerikanische Krebsopfer und die betroffenen Gesundheitsbehörden von 40 US- Bundesstaaten zahlen – sie soll auch ihren Zigarettenabsatz deulich senken.
US-Präsident Bill Clinton erklärte am Mittwoch, die Industrie müsse dafür sorgen, daß die Zahl der jugendlichen Raucher um mindestens 60 Prozent zurückgehe. „Die Eindämmung des Rauchens bei Jugendlichen war schon immer oberste Priorität in Amerika“, sagte der Präsident. Heute rauchen in den USA rund 22 Prozent aller 18jährigen. Gesundheitsbehörden schätzen die Zahl der jugendlichen Raucher in den USA auf mindestens 4,1 Millionen.
Gelingt das Vorhaben nicht, will Clinton den Preis für eine Schachtel Zigaretten um 1,50 Dollar (2,60 Mark) erhöhen. So soll der Tabakkonsum der Teenager gebremst werden. Heute kostet eine Schachtel Zigaretten in den USA zwei Dollar.
Schon seit einigen Wochen legen Kongreß und Präsident immer neue Forderungen im Vergleich zu der Vereinbarung mit der US-Tabakindustrie aus dem Juni nach. Einzelkläger und 40 Bundesstaaten hatten sich damals mit den Konzernen geeinigt, auf Schadenersatzklagen zu verzichten, wenn die Konzerne in den kommenden 25 Jahren die 368,5 Milliarden Dollar zahlen würden.
Zunächst hatte der US-Senat und anschließend auch das Repräsentantenhaus entschieden, den Tabakkonzernen keine Steuererleichterungen für die Entschädigungsmilliarden zu gewähren. Im Repräsentantenhaus fiel die Abstimmung sogar einstimmig aus. Dann erklärte der US-Bundesstaat Alabama, sich der Einigung nicht anschließen zu wollen und zusätzlich 3,9 Milliarden Dollar von der Industrie zu verlangen. Mit der Forderung nach einer deutlichen Preiserhöhung für jede Schachtel Zigaretten versucht sich Präsident Clinton jetzt wieder an die Spitze der Bewegung zu setzen.
Clinton drohte weiterhin, daß Bundesstaaten und Einzelkläger weiter die Gerichte bemühen könnten, wenn die Tabakkonzerne keine erfolgreichen Aktivitäten zum Jugendschutz unternähmen. Er forderte Senat und Repräsentantehaus zugleich auf, die Gelegenheit zu nutzen und ein umfassendes Gesetzespaket zur Eindämmung des Rauchens zu verabschieden.
Die vier größten US-Tabakkonzerne reagierten in einer Erklärung zunächst verschnupft. Philip Morris, R.J. Reynolds, Lorillard und United States Tobacco teilten mit, man sei sich mit dem Präsidenten über das Ziel einig, die Zahl der jungen Raucher zu vermindern. Dazu habe man zugesagt, den Preis einer Schachtel Zigaretten notfalls um 50 Cents zu erhöhen.
Draufgesattelt werden dürfe allerdings nicht. Zu dem im Juni ausgehandelten Kompromiß sehe man keine Alternative. Nur so könnten jahrzehntelange Rechtsstreitigkeiten und ökonomische Unsicherheit für die Firmen vermieden werden. Die Tabakindustrie betrachte die Eingung im Juni weiterhin als Basis zur Beilegung der Rechtsstreitigkeiten mit den Bundesstaaten und der Einzelklägern. ten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen