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Heißer Herbst am Hackeschen Markt

■ 500 Jugendliche und 150 Polizeibeamte gaben in der Rosenthaler Straße eine Randalevorstellung. Sieben Personen vorläufig festgenommen. Angefangen hatte alles wegen einer besprühten Straßenbahn

Am Hackeschen Markt in Mitte kam es in der Nacht zum gestrigen Sonntag zu einer Straßenschlacht. Die Auseinandersetzungen, bei denen zeitweilig bis zu 500 Jugendliche und 150 Polizeibeamte beteiligt waren, hatten Mitternacht begonnen und dauerten bis etwa drei Uhr morgens. Sieben Personen wurden dabei vorläufig festgenommen, mehrere verletzt. Die Rosenthaler Straße mußte die ganze Zeit über für den Verkehr gesperrt werden.

Wie die Polizei gestern mitteilte, seien gegen Mitternacht aus einer Gruppe von zunächst etwa 200 Personen Flaschen und Steine auf eine Straßenbahn geworfen worden. Als die eintreffenden Beamten drei Personen festnehmen wollten, sei die Menge auf 500 Personen angewachsen. Es seien weitere Flaschen und Steine geflogen. Mehrere Jugendliche hätten versucht, die drei Festgenommenen zu befreien. Zu den Gründen für die Auseinandersetzungen konnte die Polizei nichts sagen.

Nach Augenzeugenberichten war der Anlaß freilich denkbar gering. „An eine Straßenbahn hatte einer einen grünen Schriftzug gesprüht“, beobachtete Sybille Schmidt von der gleichnamigen Tanzschule in der Rosenthaler Straße 38. Wegen des angeblichen Versicherungsschadens hätte sich die Straßenbahnfahrerin daraufhin geweigert weiterzufahren und die Polizei gerufen. „Kurz darauf flog ein Gegenstand auf ein Polizeifahrzeug“, sagte Schmidt. Daraufhin hätten die Beamten wahllos auf alle männlichen Jugendlichen eingeprügelt, die sich im näheren Umkreis befanden. „Das traf die Jugendlichen aus den Clubs genauso wie ausländische Touristen“, so Schmidt.

Offenbar hatte die Polizei bei ihrem Einsatz nicht mit einem Anwachsen der Menge auf 500 Personen gerechnet. Die meisten von ihnen kamen aus den Clubs in der Rosenthaler Straße 38 und 39, aber auch aus den Hackeschen Höfen, wo mehrere HipHop-Parties stattgefunden hatten. Discos und Parties gab es aber auch in Sybille Schmidts Tanzschule, in der Galerie Berlin-Tokyo, in der Freak- Ausstellung, dem Toaster in der Neuen Schönhauser Straße sowie im Oxymoron und im Boom in den Hackeschen Höfen. Außerdem, sagte Schmidt, hätte an diesem Abend „der gesamte Abiturjahrgang des Goethegymnasiums in Wilmersdorf, einer der renommiertesten Schulen Berlins, am Hackeschen Markt gefeiert.

Zu guter Letzt schließlich, so Schmidt, hätten sich auch die Übriggebliebenen eines Straßenfestes in der Auguststraße „ins Nachtleben ergossen“. Im Laufe der Auseinandersetzungen wurden an zahlreichen Fensterscheiben, darunter auch am Restaurant Hackescher Hof und dem Café Rosenthal Tags in die Fensterscheiben geritzt. Nach Angaben der Polizei beruhigte sich die Lage erst, als es den Einsatzkräften gegen drei Uhr morgens gelungen sei, die übriggebliebene Menge von etwa 250 Personen in Richtung Rosenthaler Platz abzudrängen. Uwe Rada

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