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„Voscheraus Rücktritt ist sehr konsequent

■ Nach dem Rücktritt des Hamburger Bürgermeisters herrschte Sprachlosigkeit. Bis zur Rücktrittserklärung war der Einzug der DVU das Thema des Abends

Hamburg (taz) – In seiner ersten Reaktion auf das Wahldebakel der SPD verwies SPD-Chef Kuhbier noch Spekulationen in das Reich der Fabeln, daß Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) von seinem Amt zurücktreten könnte. Doch als zwei Stunden später Voscherau selbst in der Tagesschau seinen Rücktritt bekanntgab, herrschte Bestürzung. Bis dahin lautete die SPD-Sprachregelung: Das Wahlergebnis sei enttäuschend, doch nicht katatstrophal. Die grüne Spitzenkandidatin Christa Sager erklärte, Voscheraus Rücktritt sei „sehr konsequent und es verdient Anderkennung, daß er persönliche Verantwortung übernimmt“.

Doch Voscheraus Rücktritt war nur die zweite Bombe, die an diesem Abend platzte: Bis dahin war der drohende Einstieg der DVU in die Bürgerschaft das Thema des Wahlabends gewesen. Die gut 5 Prozent, die um Punkt 18 Uhr die Prognose von ARD und ZDF der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU) verhieß, sorgte für Sprachlosigkeit im Hamburger Kongreßzentrum. So recht hatte niemand daran glauben wollen, daß es einer der braunen Parteien gelingen könnte, in die Bürgerschaft der Freien und Hansestadt einzuziehen. Alle Wahlumfragen waren davon ausgegangen, daß es nach dieser Wahl in Hamburg ein Drei-Parteien-Parlament aus SPD, CDU und Grünen geben würde. Die Rechtsextremen schienen mit DVU, „Republikanern“, dem Bund Freier Bürger (BFB) und vier weiteren Grüppchen zu zersplittert.

Als die ersten Hochrechnungen den Trend der Prognose bestätigten, fanden manche zwar die Sprache wieder, ohne jedoch Bedeutendes von sich zu geben. „Das ist eine Schmach für die Stadt“, konstatierte SPD-Landeschef Jörg Kuhbier; die grüne Spitzenkandidatin Krista Sager zeigte sich „verbittert“. Auch CDU-Landeschef Dirk Fischer erklärte, daß Rechtsextreme im Parlament „sehr, sehr schlimm“ seien.

Mit diesem Wahlergebnis dürfte sich bestätigt haben, was vor zwei Wochen bereits die „Republikaner“ behaupteten: Sie hatten SPD und CDU ausdrücklich dafür gedankt, die Themen „Innere Sicherheit und Kriminalität“ in den Vordergrund gestellt zu haben. Daß aber die DVU des Münchner Verlegers Gerhard Frey davon profitieren würde, ernüchterte die Reps gestern abend beträchtlich.

Wenig zum Jubeln aufgelegt zeigten sich auch die Grünen: Der geringfügige Zuwachs um ein halbes Prozent „ist nicht so toll“, gab Landesvorstandssprecherin Antje Radcke zu. Zu einer Koalition mit der SPD gebe es aber weiterhin „keine Alternative“. Sven-Michael Veit

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