: Dem Hollerland an die Grasnarbe
■ CDU verlangt Erweiterung des Technologieparks / Planungen des Bausenators für Anschlußstraße Lilienthal stellen den Naturschutzstatus des Hollerlandes in Frage
„Wenn man auf die Landkarte schaut, sieht man eine gewisse Plausibilität, parallel zum Jan-Reimers-Weg von Lilienthal aus eine Autobahnanbindung auf Bremer Gebiet zu suchen“, Hartmut Spiesecke, Sprecher des Bausenators Bernd Schulte (CDU), rührt an Empfindlichkeiten, die vor zehn Jahren das Blut der BremerInnen zum Kochen brachte. Dem historischen Kompromiß zwischen dem damaligen sozialdemokratischen Bausenator Konrad Kunick (SPD) und dem privaten Aufrührer Gerold Janssen, nur einen Teil des Hollerlandes zu bebauen, den weit größeren aber als Naturschutzgebiet auszuweisen, soll es nach Meinung der CDU endlich an den Kragen.
„Es ist fester Wille der CDU, den Technologiepark über die Autobahn hinweg in das Hollerland hinein zu erweitern“, schlägt Guido Niermann, Pressesprecher der CDU, einen gewichtigen politischen Pflock an der Schmerzgrenze von Naturschützern ein. „Bremen entwickelt sich offensichtlich entlang der Borgfelder Heerstraße, dem müsen wir in der Bauplanung Rechnung tragen. Man wird in dieser Stadt doch noch perspektivisch denken dürfen“, setzt der Sprecher des Bausenators den zweiten Pflock. Denn politischer Wille der CDU und perspektivische Planung des Bausenators nehmen das Naturschutzgebiet von national repräsentativer Bedeutung in die Zange.
Der genaue Verlauf der Anschlußstraße an die bis zum Jahre 2001 fertiggestellte Lilienthaler Umgehungstraße ist dabei nebensächlich. „Ich finde den Anschluß Lilienthals mit einer zusätzlichen Straße völlig überflüssig“, schimpft Petia Peterson. Sie ist Anwohnerin des Borgfelder Deiches und hat Angst, ihr Elternhaus müsse der Bremer Anschlußstraße weichen. Sie wünscht sich, wenn überhaupt, dann eine weiträumige Westumgehung um Naturschutzgebiet und Häuser herum. „Unmöglich“, meint Planer Spiesecke. „Wenn es nur die Alternative gibt, unsere Häuser abzureißen oder die Straße durch das Naturschutzgebiet zu führen, dann soll sie durch das Naturschutzgebiet“, sagt Petia Peterson.
Die Planer des Bausenators werden es gerne hören. Einer anderen Alternative, direkt die Anschlußstraße vom Treffpunkt mit der Lilienthaler Umgehungsstraße an der Jan-Reimes-Brücke auf die Borgfelder Heerstraße zu führen, wie die Grünen es zähneknirschend fordern, erteilt Spiesecke ebenfalls eine Absage.
„Die SPD wird es zwar nicht bejubeln, wenn wir den Technologiepark in das hollerland verbreitern wollen, aber wir werden nicht locker lassen“, als ginge es schon um Wahlkampf, gar neue Koalitionsverhandlungen, beginnt Guido Niermann von der CDU schon Druck auszuüben. Es ist nie zu früh, die SPD weichzuklopfen.
„Eine Provokation“, schimpft Wolfgang Jägers, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, nachdem er alte Pläne für die Bebauung des Hollerlandes als mögliche aktuelle Vorhaben auf einer Sitzung der Baudeputation entdeckt. „Das Hollerland ist absolut tabu“, stellt er unmißverständlich fest und fügt einschränkend hinzu: „Vorerst“. Man kann ja nie wissen.
Auch die Umweltsenatorin, Tine Wischer (SPD) steht fest zum Hollerland als Naturschutzgebiet. „Es gibt keine rechtliche Handhabe, daß Hollerland anzutasten“, stellt ihr Sprecher Holger Bruns klar. Wie meinte doch sein Kollege Spiesecke, Sprecher von Bausenator Bernd Schulte: Perspektivisch denken wird man ja noch dürfen. Auch wenn für eine Erweiterung des Technologieparkes – sollte die überhaupt notwendig sein – an der Universität andere Erweiterungsmöglichkeiten bestehen, die CDU hat sich festgebissen. Sie will die Autobahn zum Naturschutzgebiet überschreiten .
Der ehemalige Kämpfer Gerold Janssen ist traurig. Ob aus provoziertem Sachzwang oder aus kalkuliertem politischem Wille, er befürchtet, daß der Zahn der Bremer Stadtplanung am Naturschutzgebiet nagen wird. „Vor zehn Jahren haben die BremerInnen um ihr Vogelschutzgebiet gekämpft. Heute geht dafür doch keiner mehr auf die Straße“, meint der alte Kämpe resignierend. Thomas Schumacher
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen