piwik no script img

Kleinreden statt totschweigen

■ Neuer Umgang mit rechten Parteien in den Bezirken: Jetzt werden die bürgerlichen Parteien mit der DVU diskutieren

Der Auftritt der großen Unbekannten wird mit Abscheu erwartet. Mitte, Bergedorf, Harburg und Wandsbek heißen die Bühnen, auf denen sich die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) in den nächsten vier Jahren tummeln wird – mit demokratisch legitimierten Abgeordneten in den Bezirksversammlungen (siehe Tabelle links). Niemand kennt bislang die Personen, denn der Wahlkampf wurde allein mit Parolen geführt. Doch Pläne für den Umgang mit den No Names werden in den anderen Parteien bereits geschmiedet.

In der abgelaufenen Legislaturperiode waren bereits Republikaner in den Kommunalparlamenten von Mitte und Harburg vertreten, in Bergedorf zieht die DVU zum zweiten Mal in die Bezirksversammlung ein. GAL, SPD und CDU haben die Rechtsradikalen bislang schlicht ignoriert – was nicht schwer war, denn anwesend waren die braunen VolksvertreterInnen ohnehin nur selten.

Doch nun denken die bürgerlichen Parteien um. Denn „das Ergebnis sehen wir jetzt: Sie sind wieder drin“, ist Ronald Preuß enttäuscht. Der Fraktionsvorsitzende der Harburger GAL plädiert für einen neuen Umgang mit dem braunen Problem. „Man muß sich mit ihnen auseinandersetzen“. Und das heiße: Inhaltlich auf sie eingehen und erwidern.

Auch Andreas Bokowski, Parteikollege und Mitglied der Wandsbeker Bezirksversammlung, in der erstmals Rechtsradikale sitzen, sieht keine andere Wahl: „Wenn sie kommunalpolitische Anträge stellen, müssen wir mit ihnen diskutieren“. Vor allem müsse gesichert werden, daß die Abgeordneten- und Fraktionsgelder im Bezirk ausgegeben und nicht zur DVU-Zentrale des Verlegers Gerhard Frey (Deutsche National-Zeitung) nach München transferiert werden.

In Bergedorf, wo die DVU bereits in der abgelaufenen Legislaturperiode in der Bezirksversammlung vertreten war, wird sich einiges ändern. Die Rechtsradikalen haben jetzt drei und damit einen Abgeordneten mehr und könnten deshalb künftig auch in allen Ausschüssen vertreten sein. Bisher war CDU-Fraktionschef Herbert Paege, erleichtert, daß die DVU kaum anwesend war. Nun hofft er regelrecht darauf: „Wir müssen erfahren, was die überhaupt wollen, um dazu Stellung beziehen zu können.“

SPD und GAL verfolgen mehr das Ziel, die Arbeit der DVU zu entlarven: „Die Bevölkerung muß wissen, daß die nicht mehr machen als Geld kassieren“, sagt Sozialdemokrat Werner Omniczynski. Das sei bei dieser Wahl leider versäumt worden. GALierin Ulrike Kirschner: „Die Wähler müssen merken, daß sie mit ihrer Stimme für die DVU nicht den bürgerlichen Parteien, sondern sich selbst einen Denkzettel verpassen“.

In Mitte wurden die bisherigen drei Republikaner von vier DVUlern abgelöst. SPD-Chef Jan-Hinrich Fock bleibt beim Motto „zero tolerance“, will aber, ebenso wie der CDU-Fraktionsvorsitzende Hartwig Kühlhorn, bei volksverhetzender Propaganda intervenieren. Auch Helmke Kaufner von der GAL wird sich keine rassistischen Äußerungen unkommentiert anhören. Daß solche künftig verstärkt zu hören sein werden, befürchten alle. Denn die DVU sei „noch schlimmer“als die Reps, und aktiver. Kühlhorn vermutet: „Wenn DVU-Chef Gerhard Frey drei Millionen in den Wahlkampf steckt, wird er den Abgeordneten hier auch Ghostwriter finanzieren.“

Durch alle Bezirke und Parteien hindurch warnen die BezirkspolitikerInnen davor, die DVU zu Märtyrern zu machen. Verzichtet wird deshalb diesmal auf Trickserei mit der Geschäftsordnung. Schon zweimal sind die bürgerlichen Parteien vor Gericht mit dem Versuch gescheitert, den Rechten den Fraktionsstatus abzuerkennen.

Elke Spanner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen