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"Junkie - ein exotisches Tier?"

■ In heftigen Kämpfen eroberten Berliner StudentInnen beim Streik 1988/89 das Recht auf selbstverwaltete Projekttutorien. Doch jetzt werden auch dafür die Mittel immer knapper

Selbstbestimmtes Lernen ist noch möglich – in Projekttutorien an FU und HU, in Projektwerkstätten an der TU. Hier wird noch zu Themen wie „Der Junkie – ein exotisches Tier?“, „Eintracht und Zwiespalt von Text und Musik“, „Der lesbische Blick“, „Diskursive Psychologie“ oder „Safer Science“ gearbeitet – ohne DozentInnen. Die Themen sind selbstgewählt und sollen vor allem wissenschaftskritisch und emanzipatorisch sein, wie sie eben im regulären Lehrplan nicht angeboten werden.

Erst im Wintersemester 1988/1989 wurden die Tutorien von den streikenden StudentInnen hart erkämpft. Seitdem werden autonome Seminare durch TutorInnenstellen und Sachmittel finanziert. Die Gelder kamen zunächst aus dem Hochschulsonderprogramm des Berliner Senats, werden aber jetzt aus dem allgemeinen Haushalt gestellt. Dadurch hat sich allerdings der Umfang der Förderung stark reduziert: Seit 1989 konnten von 600 beantragten Tutorien lediglich 250 gefördert werden. Wurden 1989 noch 68 Tutorien angeboten, sind es im kommenden Wintersemester noch 23.

Welches Projekt finanzierungswürdig ist, entscheidet die Zentrale Projekttutorienkommission (an der FU) einmal pro Semester. Die Kommission ist „viertel“-paritätisch besetzt, das heißt, neben Professoren gehören ihr auch StudentInnen, akademische und sonstige MitarbeiterInnen an.

Um ihren Erfolg zu dokumentieren, gab die Zentrale Projekttutorienkommission im vergangenen Jahr im Auftrag des FU-Präsidenten ein Heft heraus, in dem die Arbeit der vergangenen acht Jahre ausführlich dargestellt wird. Ehemalige TutorInnen berichten über ihre Erwartungen, Arbeitsmethoden und Ziele. Joachim Stary, Vorsitzender der Zentralen Projekttutorienkommission, resümiert: „Ein Studienreform- Programm, das den Namen Reform verdient!“ Es veranschauliche, wie kreativ und mit welchem Engagement sich Studierende ihren Gegenständen widmen, wenn man ihnen Gelegenheit bietet, sich den Themen eigenständig und mit Hilfe innovativer Lern- und Lehrformen zu widmen, und ihnen die Freiräume wissenschaftlicher Arbeit zugesteht.

Die Koordinationsstelle der Projekttutorien beschreibt selbige als „Ausdruck einer StudentInnenbewegung für alternatives Lernen, Arbeiten und Forschen“ sowie für eine „verantwortlichere Wissenschaft“. Claudia Kurrek

Sonderbroschüre und aktuelles Veranstaltungsverzeichnis der Projekttutorien für das WS 97/98 gibt es bei der Koordinationsstelle der Projekttutorien, Kaiserswerther Straße 16-18, Zimmer 318, 14195 Berlin, Tel. 83873550, Fax: -505

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