piwik no script img

Mordprozeß gegen Neonazis

■ Die beiden angeklagten Rechtsextremisten sollen zwei "Kameraden" nach einem "banalen Streit" erstochen haben, bei dem es offenbar um das genaue Datum des FAP-Verbots ging

Berlin (taz) – Heute beginnt vor dem Berliner Landgericht der Prozeß gegen zwei Berliner Neonazis, die im April dieses Jahres zwei ihrer Gesinnungsgenossen ermordet haben sollen. Der Vorwurf der Anklage: gemeinschaftlicher Mord aus niedrigen Beweggründen.

In der Nacht zum 17. April 1997 sollen die beiden Angeklagten Detlev N. und Lutz S. auf der Rückfahrt von einer gemeinsamen Feier mit der „Kameradschaft Wittenberg“ mit ihren „Kameraden“ schwer betrunken in Streit geraten sein. Als die Auseinandersetzung im Auto eskalierte, soll N. den beiden Wittenbergern Olaf Schmidke und Chris Danneil Reizgas ins Gesicht gesprüht und sie festgehalten haben. S. habe dann auf die beiden schachmatt Gesetzten eingestochen, rekonstruierte die Staatsanwaltschaft den Tathergang. Die beiden Angeklagten wurden in unmittelbarer Nähe des Tatorts verhaftet.

Mit dem Auslöser des Streits zwischen den Berliner und den Wittenberger Rechtsextremisten begründet die Staatsanwaltschaft die erhobene Anklage wegen Mordes aufgrund niedriger Beweggründe. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Matthias Rebentisch, nannte die Auseinandersetzung „einen banalen Streit“. „Es war keine grundsätzliche Sache, steht aber in weiterem Sinn im Zusammenhang mit politischen Fragen“, so Rebentisch. Genauer wollte er sich dazu nicht äußern.

Offensichtlich jedoch ist die These, daß die Neonazis über Fußball gestritten hätten, wie der Verfassungsschutzchef von Sachsen- Anhalt, Wolfgang Heidelberg, erklärt hatte, vom Tisch. Auch die damaligen Führungsstreitigkeiten zwischen der „Kameradschaft Treptow“ von S. und N. und der „Kameradschaft Wittenberg“ waren vermutlich nicht Auslöser des Doppelmordes. Statt dessen sollen sich die Kameraden über das genaue Datum des Verbots der FAP (Freiheitliche Arbeiterpartei) gestritten haben. Die beiden Angeklagten sind sowohl in der rechtsextremistischen Berliner Szene als auch der Staatsanwaltschaft bestens bekannt. S. und N. waren vor dem Verbot der FAP dort aktiv, N. als Schulungsleiter.

Beide gelten als Kader in der rechtsextremistischen Szene Berlins. N. wurde zusammen mit dem Polizistenmörder Kay Diesner in der Wohnung des Neonazi-Gurus Arnulf Priem verhaftet und ist wegen der Bildung eines bewaffneten Haufens verurteilt.

Und während S. wegen diverser „Propagandadelikte“ vorbestraft ist, taucht in N.s Strafregister auch gefährliche Körperverletzung auf. Der Prozeß ist vorerst bis zum 5. November terminiert. Barbara Junge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen