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Bullenspermaimportgebühr?

■ Neuer Gebührenkatalog: Leichenpässe und Bebauung von Nichtbebaubarem teurer

Man muß die Lehrer loben! Oder haben Sie schon einmal erlebt, daß ein Lehrer, bevor er dem Sproß Ihres Schoßes einen mißlungenen Mathematiktest aushändigt, 17,50 Mark fordert, zahlbar sofort bar bei der Landeshauptkasse. Doch führen Sie mal ein Küken nach Bremen ein. Leihen Sie sich beim Eichamt ein geeichtes Gewicht. Ihr Staatsdiener wird die Hand aufhalten. Mit Ihrer Steuer bezahlen Sie nämlich nur, daß der Staatsdiener am Schreibtisch sitzt und den Griffel spitzt. Ein darüber hinausgehender Wunsch kostet regelmäßig ein Extrageld namens „Gebühr“. Letzte Woche war die jüngste Gebührenerhöhung Thema in der Bürgerschaft..

Nun geschieht die Gebührenerhöhung für die Inanspruchnahme der Staatsdiener mitnichten willkürlich, bewahre! Man bewertet lediglich deren Tätigkeit höher. So kostet ab sofort die Inanspruchnahme eines Beamten aus dem Höheren Dienst statt bisher schon stattliche 107 nun 114 Mark pro Stunde. Ein fröhlicher Finanzsenator streicht künftig eine knappe Million Mark mehr per anno ein.

Doch die „Kostenrechtlichen Vorschriften“(vulgo: Gebührenkatalog) sind nicht nur Wasser auf die Mühlen jener, die Beamte für faul und teuer halten. Im Gegenteil: Dem Unvoreingenommenen nötigen sie Respekt ab. Respekt für unsere Verwaltung, die auch den bizarrsten Nebenaspekt unseres Alltages bedingungslos verwalten will – einschließlich unseres Ablebens. Der Tod kostet nur das Leben? Paaah! Damit sich Leichen ausweisen können, gibt es den Leichenpaß (21 Mark), und auch eine Erd- oder Feuerbestattung außerhalb von Friedhöfen erhält ein Aktenzeichen (290 Mark). Erfreulich und eigentlich unerklärlich: Die Ausstellung einer Lebensbescheinigung (nur für Lebende möglich) ist gebührenfrei!

Manche fangen ja schon gleich zu Beginn mit einem falschen Leben an. Möchte man dann später wenigstens seinen Vornamen korrigieren, kostet das zwischen 70 und 500 Mark (vermutlich je nach dem, wie schrecklich der alte Namen war). Bildung dagegen ist ja (s.o.) NOCH recht gebührenfern organisiert; Ausnahme: „Abgabe von kurdischen Fibeln“(20 Mark).

Wer die hier diskutierte Auflistung staatlicher Leistungen nicht kennt, hat ja keine Ahnung, was Ahnungslose alles anstellen, obwohl sie eigentlich zunächst eine Gebühr entrichten müßten. Fackeln abbrennen: 27,- für die Erlaubnis. Blindenwaren darf man nur mit dem Blindenwarenvertriebsausweis vertreiben, der pro Jahr 26,50 Mark kostet (Entzug: 52,-). Naive mögen unbefangen ihre gezähmten Meerschweinchen zur Schau stellen – die Erlaubnis einer Tierzurschaustellung kostet 35 bis 70 Mark. Und wer denkt: „Ich sag mal beim Nachbarn bescheid und mähe Samstag mittag den Rasen“– reingefallen! Die „Zulassung von Ausnahmen von der Rasenmäher-Lärm-Verordnung nach BImSCHV“bekommt man nicht unter 100 Mark. Wer aber zu Hause Ziegen und insbesondere Ziegenböcke herumspringen hat, nehme sich in acht: Eine Deckerlaubnis - 2 Mark.

Überhaupt ist das Veterinärwesen geradezu gebührenstarrend reglementiert. Die Ein- und Durchfuhr von Küken wird für 3 Pfennige pro Tier genehmigt. Für Wellensittiche muß man schon 25 Pfennige aufwenden. Billiger wird es, wenn die Tiere nicht mehr leben: Getrocknete Sehnen dürfen wir für einen Pfennig pro 10 Kilogramm einführen. Harnblasen dagegen werden bei der Einfuhr für 50 Mark untersucht (bis 5 Tonnen; soviel reicht ja dann auch). Übrigens kostet – niemand weiß das besser als die Uni Bremen – eine Tierversuchsgenehmigung 200 bis 500 Mark.

Denkt einer bei seiner Entscheidung für einen Beruf eigentlich an die gebührenrechtlichen Konsequenzen? Immerhin kostet eine Milchhandelserlaubnis glatt 100 Mark. Günstiger die Bescheinigung über Sachkunde nach der Hackfleischverordnung (30 Mark).

Vordergründig gelesen fällt manch scheinbar Kurioses ins Auge, indes: Ist nicht das Leben selbst kurios? Was ist schon so kurios an dem Gebührensatz für die Beschlagnahme eines Pferdefuhrwerkes (2,50 Mark)? An der für 155 Mark möglichen Auflösung des Paradoxons von der Bebauung nicht bebaubarer Flächen? Warum sollte jemand NICHT auf die Idee kommen, um die „Verleihung des Rechts zur Führung der Bezeichnung 'Deutsche Markenbutter'“zu ersuchen (ab 90 Mark).

Wir hören schon das vordergründige, noch ganz der Pubertät verhaftete Gekicher, das auf unausgelebter Sexualität gründende Tresengegröhle, wenn wir hier auch Position 712.12 der neuen Bremischen Gebührenordnung zitieren: Einsatz des Spermas von nicht in Bremen oder Niedersachsen stationierten oder nicht mehr lebenden Vatertieren in der künstlichen Besamung: 30 Mark. Da tun sich doch zweifellos Welten auf! BuS

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