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Henkersschlinge im Briefkasten

Rolli-Räder zerstochen: Behinderter Mann wird von anonymen Nachbarn seit Monaten auf vielfältige Art und Weise terrorisiert  ■ Von Marco Carini

Andreas Bandl mag „gar nichts mehr ausschließen“. Inzwischen fürchte er sogar „einen Anschlag“, erzählt der spastisch gelähmte Mann. Seit einem halben Jahr wird der 29jährige von einem Anonymus, der vermutlich im selben Haus wie Bandl in der Neustadt wohnt, terrorisiert. Sein Rollstuhl wurde demoliert, eindeutige Drohungen fanden sich in seinem Briefkasten. Mittlerweile hat Bandl Strafanzeige gestellt.

Im April hatte Bandl vor seiner Wohnungstür einen Zettel gefunden, in dem er anonym aufgefordert wurde, die Flurwand zu säubern. Beim Versuch, seinen Rollstuhl in die Flurecke zu schieben, hatte der 29jährige den Putz leicht beschädigt. Obwohl der Rollstuhlfahrer der Aufforderung nachkam, fand er kurz darauf eine weitere, fast gleichlautende Nachricht. Bandl beantwortete die unfreundliche Botschaft mit einem pampigen Kommentar, den er ebenfalls im Treppenhaus aushängte.

Was der auf häusliche Pflege angewiesene Mann seitdem erlebte, will er am liebsten „nur noch verdrängen“. Innerhalb weniger Tage fand er drei Faltblätter von Pflegeheimen im Briefkasten, von denen eines mit den Aufforderungen „hau ab“und „ab mit Dir“versehen war. Kurz darauf lag ein zur Henkerschlinge geknotetes Nylonseil im Briefkasten. Ein voller Abfallsack wurde vor seiner Tür plaziert, das Hinterrad seines im Keller abgestellten Rollstuhls fand Bandl zerstochen vor. Erst kürzlich wurde das Schloß seiner Wohnungstür mit Sekundenkleber zugekleistert.

„Da hat sich jemand genaue Gedanken gemacht, wie er einen behinderten Menschen treffen kann“, bewertet Gerlif Gleis, Mitarbeiter des Vereins „Autonom Leben“, die Übergriffe. Während für Inge Pries, die Sprecherin der ambulanten Hilfseinrichtung „pflegen & wohnen“, die Übergriffe gegen Bandl „ein Einzelfall sind, wie wir ihn noch nicht erlebt haben“, sieht Gleis „die Stimmung gegen Menschen mit Behinderungen umschlagen“. Verstärkt müßten „sie sich heute dafür rechtfertigen, daß sie überhaupt existieren“. Für Bandls Anwalt Glenn Büllesfeld, der vorige Woche Strafanzeige wegen Beleidigung, versuchter Nötigung und weiterer Delikte gegen Unbekannt gestellt hat, geht es dem Täter darum, „Druck auf meinen Mandanten auszuüben, daß er das Haus verläßt“. Darin sieht Gleis „eine Fortsetzung der derzeitigen Praxis der Hamburger Sozialämter“. Viele in Wohnungen lebende Behinderte wären von der Behörde in den vergangenen Wochen aufgefordert worden, sich einen Heimplatz zu suchen, da die häusliche Hilfe nicht mehr bezahlbar sei.

Andreas Bandl aber will sich nicht so einfach vertreiben lassen. Er lud vor wenigen Tagen alle HausbewohnerInnen, „die ein solches Verhalten mißbilligen“, zum Kaffee ein. Von elf Mietparteien nahmen zwei die Einladung an.

Im Altonaer Rathaus präsentiert die Altonaer Behinderten-Gemeinschaft ab heute die Ausstellungen „Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen“und „Altona baut Barrieren ab“(Mo.-Do. von 8-18 Uhr, Fr. bis 16 Uhr).

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