piwik no script img

Eine Symbiose, die Erfolg verspricht

■ Fußballweltmeisterschaften waren für die Einführung neuer Technologien in Deutschland schon in der Vergangenheit von entscheidender Bedeutung

Der Spielzug ist einfach, die Taktik völlig durchsichtig. Schon mehrfach hat der Fußball dem Fernsehen wichtige Wasserträgerdienste geleistet. Zur Einführung neuer Technologien und zur Akzeptanzgewinnung beim Publikum war die noch in den 20er Jahren gescholtene „Fußlümmelei“ stets ein ideales Gleitmittel. Bereits 1943 hatte der Sender Berlin zur Erprobung der Live-Übertragung ein Fußballspiel gezeigt. Die Erfolgsgeschichte des deutschen Fernsehens in den 50er Jahren ist eng verknüpft mit dem Gewinn von Sepp Herbergers Mannen bei der Weltmeisterschaft von 1954. Zum Finale in Bern am 4. Juli meldeten die meisten Elektrohändler den Ausverkauf ihrer eckigen Holztruhe auf kurzen Tischbeinen.

Dabei hatten die Bundesbürger das Ereignis vor allem per Rundfunk wahrgenommen. „Toni, du bist ein Fußballgott“, skandierte damals Reporter Herbert Zimmermann. Die emphatischen Massenzusammenkünfte fanden allerdings nicht zuletzt auf deutschen Bahnhöfen statt, wo die „Helden von Bern“ Station für Station lokale Feiereien über sich ergehen lassen mußten. Die Symbiose von Fußball und Fernsehen hatte 1954 ihren Anfang, auch wenn das Fernsehen noch eine untergeordnete Rolle spielte.

Passend zum nächsten Titelgewinn, 20 Jahre später, klappte der Coup noch einmal. Zunächst versuchte man das eben erst entwickelte Farbfernsehen mit Abenteuerschinken wie „Cartouche, der Bandit“ unter das Fernsehvolk zu bringen. Mehr oder weniger erfolglos. Erst zur WM im eigenen Land stellten sich die Bundesbürger flächendeckend auf Buntbebilderung um. Der Spielzug sitzt. Warum sollten unsere kickenden Helden jetzt nicht auch dem Pay-TV à la Kirch zum triumphalen Durchbruch verhelfen?

Fußball wird zwar im Fernsehen gezeigt, aber nicht dort gespielt. Das Spiel hat Showcharakter, läßt sich aber nicht wie eine Fernsehshow produzieren. Auf sonderbare Weise ist der vierjährige Rhythmus der Veranstaltung zugleich auch das Geheimnis ihres Erfolges. Wer am Volksmedium Fußball wirtschaftlich partizipieren will, der muß sich vorsehen, die mythische Basis des Ereignisses nicht zu ruinieren. Nach allen Einblicknahmen ist Pay-TV ein eher kühles Medium, das nur bedingt zum kollektiven Gebrauch taugt. Fernsehen war früher ein himmlisches Geschenk. Ob es als Ware funktioniert, ist fraglich. Man zieht eine Flasche aus einem Automaten, aber man macht es sich damit nicht gemütlich. Zur Emphase braucht es nun einmal die anderen, mit denen man sich per Fußball gemein macht. Kirchs Trick war gut eingefädelt, könnte aber in der Abseitsfalle landen. Harry Nutt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen