: „Ausländer nehmen sie schneller mit“
■ Ein Ex-Junkie über Dealen und Rassismus: „Größere Mengen Rauschgift habe ich noch nie von Nordeuropäern gekauft“
Das Anti-Rassismus-Büro (ARAB) und gebürtige Afrikaner gehen immer wieder an die Öffentlichkeit, um auf erlittene Diskriminierungen aufmerksam zu machen. Afrikaner würden wegen ihrer Hautfarbe als vermeintliche Drogendealer schnell ausgemacht, erkennungsdienstlich behandelt und nicht zuletzt mit umstrittenen Brechmitteln brutal behandelt. Zu dem als „Rassismus“angeprangerten Vorgehen äußert sich ein ehemaliger Junkie anonym* gegenüber der taz .
taz: Organisationen wie das Anti-Rassismus-Büro (ARAB) werfen Drogenfahndern und Innenbehörde Rassismus vor. Immer wieder prangern sie Übergriffe auf Schwarze an, die unter dem Verdacht des Drogenhandels in die Mühlen polizeilicher Ermittlungen geraten. Wie sehen Sie als Ex-Junkie die Szene?
Anonymus: In der Szene sind es fast nur – eigentlich möchte ich sagen, nur Schwarze –, die in der Straßenbahn Kokain verkaufen. Das passiert in der „Zehn“. Die fahren hin und zurück, verkaufen den ganzen Tag, fangen mittags an und machen bis zum späten Abend. Du gibst denen das Geld rüber, und die geben dir dafür ein paar Kügelchen.
In der Straßenbahn werden also nicht nur Verabredungen zum diskreten Verkauf an anderen Orten getroffen?
Mag angehen. Meine Erfahrungen der letzten vier Jahre sind das nicht. Kokain wird überwiegend von Farbigen verkauft, und die kleinen Mengen werden offen auf der Straße – oder in Hamburg in U-Bahn Schächten oder an S-Bahnstationen – verkauft. Auch Heroin wird in kleinen Mengen am Sielwall offen angeboten. Als Abhängiger, der regelmäßig größere Mengen gebraucht hat, konnte ich die nie bei einem Nordeuropäer kaufen. Dabei wechselt man rund einmal die Woche den Verkäufer. Mindestens. Anders ist es am Sielwall und am Hamburger Hauptbahnhof, wo überwiegend Deutsche kleine Mengen handeln und sich ihr Einkommen damit verdienen. Der Deutsche ist in aller Regel süchtig und finanziert sich seinen eigenen Bedarf, die Ausländer sind in den seltensten Fällen richtig süchtig und verdienen richtig hartes Geld.
Wie ist das, wenn man als ehemaliger Drogenabhängiger in der Straßenbahn beim Dealen zuschauen muß?
Ich guck' schon noch manchmal über die Szene, aber ich hab' Abstand gewonnen. Aber setze dich doch mal in die Straßenbahn neben einen Schwarzen und frag' ihn nach dem Preis für einen Ball. Da wird dich kaum einer entsetzt anschauen.
Das Anti-Rassismus-Büro kritisiert, daß bislang überwiegend Schwarze vom Fahrverbot in der Bremer Straßenbahn betroffen sind.
Das ist natürlich auch diskriminierend. Man muß sowas beweisen. Aber das ist schwierig, die kleinen Kügelchen sind in Plastik eingepackt. Wenn die Polizei kommt, schlucken sie das Zeug schnell runter, und die Beweise sind weg.
...wobei anschließend oft Brechmittel an verdächtige Festgenommene vergeben wird..
Wenn man ganz sicher ist: Warum nicht. Ich habe kein Mitleid mit denen. Die haben ja auch kein Mitleid, wenn Junkies noch halbe Kinder sind und an einer Überdosis sterben.
Erlebt man als Junkie nicht öfter selbst Schikanen – so daß man gegen voreiliges Einschreiten der Polizei empfindlich wird?
Ich habe eigentlich gute Erfahrungen mit der Polizei gemacht. Am Hamburger Hauptbahnhof beispielsweise hat das Dealen so überhand genommen, da kann die Polizei nicht mehr richtig durchgreifen. Die hätten ja auf der Wache ständig hundert Leute. Die sagen, macht noch zuende, dann kriegt ihr Platzverweis. Das heißt, du darfst dich 24 Stunden nicht mehr am Hauptbahnhof blicken lassen, und damit ist es gegessen. Die sehen ja auch, in Anführungsstrichen, den armen Abhängigen. Anders sieht's dann mit den Ausländern aus. Da greifen sie schon mal schneller durch und nehmen die Leute auch mal eher mit.
Ist das harte Durchgreifen der Straßenbahner nicht in ihrem Sinn? Jeder, der Ihnen das Zeug vor die Nase hält, könnte doch Ihren Rückfall erleichtern?
Das kommt auf die einzelne Person an, wie gefestigt sie ist. Ich selbst hab' kalten Entzug* gemacht. Klar, fällst du manchmal wieder zurück, entziehst wieder, fällst wieder zurück. Aber es ist nicht schlecht, wenn einer, der wegen Drogen schon aufgefallen ist, Straßenbahnverbot kriegt. Aber dann muß man vielen Straßenbahnverbot geben: Wenn einer weg ist, sitzen schon gleich drei neue da.
Fragen: Eva Rhode
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen