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Ein Rechter, der die Wahrheit sagt?

■ Erster Tag im Berufungsprozeß wegen Volksverhetzung gegen deutsch-lettischen Rechts-Journalisten Joachim Siegerist

Mit Stiefelnazis hat Werner-Joachim Siegerist nichts gemein. Der Deutsch-Lette ist ein Karrierist inmitten der bürgerlichen Gesellschaft: Vom Schriftsetzer zum Springer-Journalisten, vom rechten Journalisten zum rechten Politiker, tätig erst in der Bundesrepublik, dann in Lettland. Er steht zu seinen Taten, zu seinen Worten, und wenn er sich im Tonfall mal vergriffen haben sollte, dann tut es ihm leid. Der Leidensdruck wurde allerdings erst 1994 durch das Hamburger Amtsgericht geschaffen, das ihn wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum „Rassenhaß“und Beleidigung zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt hatte. Siegerist und die Staatsanwaltschaft hatten dagegen Berufung eingelegt, die gestern vor dem Landgericht verhandelt wurde.

Heute würde er nicht mehr so formulieren, wie er es in einem Rundbrief des Vereins „Die Deutschen Konservativen“1992 noch getan hat, beteuert Siegerist. „Zigeuner“vermehrten sich „wie die Karniggel“, hatte er seinerzeit zum Besten gegeben, und daß „Zigeuner durchweg übles, kriminelles Pack“seien. Wohl nehme er die Formulierungen, nicht aber die Sachaussagen zurück.

Siegerist war in Deutschland längst als Rechtsnationalist und Vorsitzender der „Deutschen Konservativen“bekannt, als er im Herbst 1991 zum ersten Mal in der lettischen Hauptstadt Riga auftauchte. Seit Dezember 1992 besitzt er auch die lettische Staatsbürgerschaft, im Sommer 1993 zog er für die ultrarechte „Bewegung für nationale Unabhängigkeit Lettlands“ins Parlament ein. 1995 empfahl er sich als stellvertretender Ministerpräsident.

Die ZuschauerInnenbänke zierten gestern lodenbemantelte Damen über fünfzig mit Trachtenhut. Dazwischen ein schnauzbärtiger Jüngling, der nur einen Bruchteil dessen versteht, was Siegerist rund drei Stunden lang monologisiert. Er ist eigens aus Riga zum Prozeß angereist – als Vertreter der jüdischen Gemeinde. Auch die schätzt nämlich den Ultrarechten. „Als uns einmal das Geld gefehlt hat, um Mazzen (trad. jüdisches Brot, d. Red.) zu backen, hat Herr Siegerist es uns gespendet“, berichtet eine ältere Dame ehrfürchtig. „Auch für Kinder hat er so viel getan, was mich als Mutter und Großmutter natürlich besonders berührt“. Weit weniger berührt sie, wie Siegerist über Roma und Sinti spricht.

Auch Mara Trapans, eine in den USA lebende lettische Journalistin, hat damit kein Problem. „Wissen Sie“, ereifert sie sich, „vor fünf Jahren war ich einmal in Hamburg und habe auf dem Jungfernstieg gesehen, wie Zigeunerinnen ihre Kinder mit Drogen vollgepumpt und zum Betteln mißbraucht haben“. Damit ist alles gesagt. Siegerist kein Rechtsextremer, sondern einer, der die Wahrheit sagt.

So sieht er sich auch selbst. „Die Zigeuner schlagen ihre Kinder bis zur Bewußtlosigkeit, ich habe unvorstellbare Grausamkeiten gesehen.“Wohl habe er vor Jahren auch eine Kampagne für die Freilassung des ehemaligen Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß durchgeführt, und für die ersatzlose Streichung des Grundrechtes auf Asyl sei er wegen der „Scheinasylanten“auch. Aber erstens habe er einen türkischen Bürovorsteher. Zweitens eine thailändische Freundin. Und drittens sei er schon quer durch die ganze Welt gereist. „Ich kann also gar kein Rassist sein.“

Der Prozeß wird fortgesetzt.

Elke Spanner

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