: In fünf Jahren gibt es mehr Therapie
■ Bundesweit sitzen 3.500 Sexualstraftäter in Haft. Die meisten werden im Gefängnis nur verwahrt. Die Länder müssen die Angebote ausweiten
Der Staat reagiert auf die Angst vor neuen Sexualmorden nicht nur mit Härte. Neben strengeren Strafen und einer Verschärfung des Vollzugs ist auch eine Ausweitung des Therapieprogramms im Gefängnis geplant – ein Vorhaben, das vor allem die Länder teuer zu stehen kommt. Diese haben daher durchgesetzt, daß sie erst im Jahr 2003 die nötige Anzahl von Therapieplätzen vorweisen müssen.
Wenn ein Sexualtäter vor Gericht überführt wurde, hat der Richter zwei Möglichkeiten. Entweder er geht davon aus, daß der Täter zum Tatzeitpunkt nicht zurechnungsfähig war. Dann kann der Delinquent zwar nicht bestraft werden, möglich ist aber die Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus. Man spricht hier von einer „Maßregel der Besserung und Sicherung“. Der Täter wird erst wieder entlassen, wenn er als geheilt anzusehen ist.
Kann dem Delinquenten die Tat jedoch vorgeworfen werden, dann wird er zu einer zeitlich befristeten Gefängnisstrafe verurteilt. Ob dem Sexualtäter im Knast jedoch eine Therapie ermöglicht wird, entscheidet nicht mehr der Richter, sondern die Haftanstalt. Häufig scheitert die Therapie schon daran, daß nicht genügend Plätze in sozialtherapeutischen Anstalten vorhanden sind. Ein triebhaft veranlagter Vergewaltiger oder Kindesmißbraucher verläßt den Knast deshalb häufig, ohne daß sich jemand intensiv mit seinen gefährlichen Neigungen auseinandergesetzt hat.
Dies soll nun anders werden. Therapiegeeignete Sexualtäter sollen ab dem Jahr 2003 zwingend in eine sozialtherapeutische Anstalt verlegt werden. Im Bonner Justizministerium hätte man zwar gerne eine kürzere Frist durchgesetzt, da jedoch die Zustimmung im Bundesrat erforderlich ist, saßen die Länder am längeren Hebel. Honigsüß kommentiert Minister Schmidt-Jortzig (FDP): „Dieser Kompromiß ist ein Zeichen für konstruktive Zusammenarbeit mit dem Bundesrat, die derzeit ja nicht selbstverständlich ist.“ Vor allem die Flächenstaaten sind mit Therapieeinrichtungen unterversorgt.
So bestehen in Baden-Württemberg derzeit nur 60 Plätze, die in den nächsten Jahren auf 120 bis 180 Plätze aufgestockt werden sollen. Justizsprecher Kai Sonntag betont, daß das Land nicht nur aus finanziellen Gründen Zeit benötige: „Wir werden in Offenburg eine ganz neue Einrichtung bauen. Außerdem müssen wir erstmal geeignetes Personal finden.“
Bundesweit sitzen derzeit rund 3.500 Sexualtäter in Haft, weitere 4.300 befinden sich im Maßregelvollzug. Auch in letzterem gibt es Engpässe, da dort aber eine gesetzliche Pflicht zur Unterbringung besteht, werden die Plätze kontinuierlich aufgestockt. Im Einzelfall kommt es allerdings zu Wartezeiten von bis zu drei Monaten bis zur Einweisung in die Psychiatrie. Der Täter verbleibt solange in Untersuchungshaft. Viele Einrichtungen sind außerdem überbelegt – was den Therapieerfolg natürlich nicht begünstigt. Christian Rath
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